Warschau - Die konservative polnische Partei "Bürger-Plattform" (PO) hat sich auf ihrem Parteitag am gestrigen Sonntag überraschend deutlich vom Koalitionspartner in spe, der national-konservativen PiS abgegrenzt. Sie präsentierte sich für die Parlamentswahl im September als eine aufgeklärte, liberal-konservative Kraft. Gleichzeitig wurde Donald Tusk offiziell zum Kandidaten für Präsidentenwahl im Oktober gekürt.

Geheimdienst-Akten offen legen

Tusk kritisierte die PiS für ihre Weigerung, die Geheimdienst-Akten von Politikern aus der Zeit des kommunistischen Polens offen zu legen. Dies sei nur Teil des PiS-Programms, das zu einer Beschränkung der Meinungsfreiheit führe. "Wir halten die auf, die den Bürgern einen neuen Maulkorb anlegen wollen", sagte Tusk mit Blick auf den möglichen Koalitionspartner. Außerdem warf er der PiS Populismus in der Sozialpolitik vor. Das Versprechen, drei Millionen Wohnungen zu bauen, führe nur zu höheren Abgaben.

Wirtschaftsliberal versus Bürgerrechte

In ihrem nun beschlossenen Wahl-Programm stellt sich die PO zum einen als wirtschaftsliberal dar. Alle direkten Steuern sollen auf einen linearen Satz von 15 Prozent gesenkt werden. Dabei werde die Berechnung stark vereinfacht; "Die Einkommenssteuer-Erklärung wird auf eine Postkarte passen", sagte der Fraktionsvorsitzende Jan Rokita. Zum anderen will die PO die Kontrolle von Politikern verbessern und den Staatsapparat um 20 Prozent verkleinern. Politiker sollen in Zukunft für gleiche Verbrechen höher bestraft werden als andere Bürger.

Bei der PiS wurden die Attacken mit Unverständnis aufgenommen. Ihr Vorsitzender Lech Kaczynski bezeichnete die Angriffe der PO als "unfair". Seine Partei habe keineswegs vor, die Bürgerfreiheiten einzuschränken. Die PO und die PiS führen die Meinungsumfragen in Polen nun seit einigen Monaten mit deutlichem Abstand an. Beide Parteien kämen derzeit auf über 20 Prozent der Stimmen und hätten zusammen die Mehrheit der Sitze im Parlament. (APA)