Bild nicht mehr verfügbar.

Ozzy Osbourne und Black Sabbath mochten diesmal in Wien nicht fotografiert werden. Hier ein Foto aus 2002.

Foto: APA/epa /dpa/Claus Felix
Velvet Revolver ging es vorher nicht so gut.


Wien - "Of all the things I've lost, I miss my brain the most." Zwar wird diese von den lyrischen Parametern her auf Notaggregat gefahrene Selbsterkenntnis ursprünglich Ozzy Osbourne zugeschrieben, dem während der letzten drei Dekaden von Drogen bis hin zum zarten Dachschaden durchgebeutelten Star des Abends.

Mehr allerdings als auf den Helden von Black Sabbath aus dem britischen Birmingham, der mit 36 Dienstjahren ältesten unter den bösen alten Müttern des Heavy Metal, trifft sie auf die Vorgruppe dieser Heiligen Messe in Dumpf und Moll am Montag vor sechstausend älter gewordenen Mopedrockern in der Wiener Stadthalle zu.

Erst einmal galt es nämlich, eine Stunde lang Velvet Revolver durchzustehen. Eine aus L. A. kommende Allstarband um die ehemaligen Junkie-Rock-'n'-Roller Slash, Duff McKagan und Matt Sorum von Guns N' Roses und Sänger Scott Weiland von den Stone Temple Pilots.

Sie bauten mit ihren uninspirierten und zu einem inferioren Soundbrei gemischten Versatzstücken aus dem Pudel-Metal der späten 80er-Jahre nicht nur eine betreute Seniorenwohnung für geläuterte Drogenwracks. Zwischen all dem breitbeinigen Posieren und Gespucke blieb zwischendurch auch noch für das durchaus murrende Publikum Zeit, sich einer traurigen Tatsache zu vergewissern:

Slashs komplett sinnentleerte Selbstverwirklichungen an der Gitarre mögen auch damit zu tun haben, dass sich hier jemand viel zu sehr lieb hat. Auf jeden Fall aber müssen ihm die Leute unten im Saal irgendwann einmal etwas furchtbar Böses getan haben. Narzisstische Kränkung führt zu Größenwahn. Slash!

Mit Beklemmungsgefühlen in die Pause entsandt bereitete man sich auf eine weitere Reunion von Ozzy Osbourne und Black Sabbath in Originalbesetzung mit Geezer Butler am Bass, Bill Ward am Schlagzeug und Tony Iommi an der Gitarre sowie einem vornehm im Hintergrund sitzenden Keyboarder vor. Dank Ozzys MTV-Show The Osbournes und einem eher gemütlichen Konzert 1998 im Wiener Prater hatte man sich von den Endfünfzigern eher wenig erwartet. Immerhin deuteten Ozzys fahriger Zustand im Fernsehen und ein jetzt für die Presse ausgesprochenes Fotoverbot darauf hin, dass zumindest einer der Akteure nicht mehr ganz auf der Höhe ist.

Wem harte und überzogen laute Musik zwischen Amok und Koma und Störung der Friedhofsruhe durch betrunken grölende Motorradgangs auf der Suche nach einem kleinen Feierabendwickel mit Satan jetzt eher wenig zusagt: Black Sabbath, diese im Magen grollende und in den Ohren greinende alte Vettel im Sperrgebiet von Anstand und Würde ("Look into my eyes, you'll see who I am, my name is Lucifer, please take my hand!"), ist nicht das, was man gemeinhin von den schönen Künsten einfordert.

Berge des Wahnsinns

Während einer mit eineinhalb Stunden knapp bemessenen, mit pubertären Alltime-Klassikern wie N.I.B, War Pigs, Fairies Wear Booties, Electric Funeral oder Into The Void allerdings gut bestückten Show, in der ein sichtlich fitter Ozzy zur Freude aller geistig Junggebliebenen nicht nur gleich am Anfang seinen Po zeigte, sondern die ersten Reihen auch mit Wasserkübeln einnässte, erlebte man allerdings ein kleines Wunder.

Die vom Bluesrock entlehnten, monotonen, schleppenden und tiefer gelegten Riffs wurden nicht nur von ihrer Patina befreit und mit enormem Druck auf den Punkt interpretiert. Auch der sich fröhlich durchs Programm fluchende Ozzy nahm die greinenden Höhen fast wie früher.

Am Ende dann die Berge des Wahnsinns: Black Sabbath , Paranoid und Children Of The Grave . Was haben wir auf dem Heimweg alle gegrinst. Rock ist nicht tot. Nur die Frauen gehen nicht mehr hin. (DER STANDARD, Printausgabe, 22.06.2005)