Eine Katastrophe, die in Etappen kommt: Die Ankunft ...

Foto: Frank Masi

...der Außerirdischen löst in Steven Spielbergs ...

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..."Krieg der Welten" eine Massenflucht aus.

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Einst im Jahr 1938 war die suggestive Kraft von Massenmedien noch um einiges effektiver. Doch selbst Orson Welles, der am 30. Oktober dieses Jahres daran ging, seine fürs Radio adaptierte Fassung von H.G. Wells Science-Fiction-Klassiker War of the Worlds durch den Äther zu schicken, konnte nicht ahnen, welche Reaktionen er damit auslösen würde.

Die US-Zuhörer nahmen nämlich die raffiniert aufbereitete Schilderung der Invasion von Außerirdischen auf der Erde für bare Münze. Massenpanik brach aus, Menschen flüchteten aus Städten, verschanzten sich in Kirchen, um zu beten, sogar ein Selbstmord wird überliefert.

Der historische Hintergrund, die "Gefahr" eines Eroberungszugs Nazi-Deutschlands, mag die Hysterie zusätzlich geschürt haben. Zu^allererst aber hat sich hier ein Medium, das noch nicht durch Fälschungen – die dann nicht zuletzt der Krieg mit sich brachte – diskreditiert war, einen utopischen Moment lang seiner selbst vergewissert. Eine solche Wirkung ist heute, wo dem Wahrheitsanspruch von Massenmedien massive Skepsis entgegenwirkt, kaum mehr vorstellbar.

Ironischerweise agiert der Verleih UIP anlässlich des weltweiten Kinostarts von Steven Spielbergs Krieg der Welten/War of the Worlds beinahe so, als könnte sich wieder Ähnliches ereignen. Bei Pressevorführungen wird man nicht nur mit Armbändern ausgestattet, die eine schmerzhafte Einheit mit Haaren eingehen; man wird vertraglich daran gebunden, Sperrfristen einzuhalten und während des Films von einer Kamera im Dunkeln gefilmt.

Es ist nicht der Krieg der Welten, sondern – zum einen – der gegen die Piraterie, der Studios zu solchen Maßnahmen greifen lässt. Darüber hinaus soll jedoch der Ereignischarakter eines Films gewahrt werden, der schon im Trailer mit spektakulären Ansichten des Feindes geizt und gewissermaßen einzigartig bleiben will. Kein geschriebenes Wort darf den Überraschungseffekt mildern. Dahinter steht ein ungewöhnlich großer Erwartungsdruck. Spielbergs Krieg der Welten soll den sehr gemächlich gestarteten Kinosommer, die Zeit der groß budgetierten Blockbuster, eine andere Dynamik verleihen.

Bei 128 Mio. Dollar Produktionskosten, einer hohen Gewinnbeteiligung des Superstars Tom Cruise wie des Regisseurs will man die höchsten Einnahmen herausholen. So weit verständlich. Prekär daran ist jedoch, dass die Presse dabei nur noch als Dienstleister und verlängerter Arm des Marketings verstanden wird. Kritische Auseinandersetzung mit Populärkultur birgt ein Moment der Unsicherheit, das minimiert werden soll.

Was an dieser Stelle verraten werden kann, ist, dass Krieg der Welten die in ihn gesetzten Erwartungen auf eine äußerst geradlinige Weise erfüllt. Nach der Flughafenposse The Terminal kehrt Spielberg wieder zu jenem Kino des Spektakels zurück, das er am besten beherrscht. Weniger sentimental auf regressive Kindheitsfantasien zielend als in seinen früheren Sci-Fi-Filmen E.T. oder Unglaubliche Begegnung der Dritten Art widmet Krieg der Welten einem tradierten Topos des Katastrophenfilms, der (Wieder-)Zusammenführung der zerrütteten Kleinfamilie (angeführt von Tom Cruise), inmitten einer breit ausgemalten Vision der apokalyptischen Zerstörung die meiste Zeit.

Das psychologische Familiendrama stellt er, anders als der weitaus patriotischer tönende Independence Day, über die Darstellung heroischer Repräsentanten, ob der Politik oder des Militärs. Es handelt sich, in Spielbergs Kosmos ein wiederkehrender Erzählzug, um eine Fabel des Überlebens, die weniger aufgrund der Stärke einer Abwehrhaltung als durch die Nachhaltigkeit menschlicher Gemeinschaft triumphiert. Den religiösen Kern dieser allerletzten Schlacht spielt der Film dabei weit weniger aus als noch die Erstverfilmung von 1953, die noch im Zeichen des Kalten Krieges stand.

Als historischen Hintergrund der neuen Fassung vermag man nun dagegen die Umrisse einer Welt nach 9/11 wiederzuerkennen, wenngleich sich der Film als Reise durchs Hinterland vollzieht. Es herrscht eine Atmosphäre der Angst vor dem unbekannten Ereignis. Manche Bilder erinnern an Versehrtheiten, die der Terror hinterlässt. Spielberg stellt vor diesem Hintergrund die Schwächen der menschlichen Gesellschaft aus und lässt sie gerade dadurch wertvoll erscheinen. Er bleibt diesseits des Hügels, hinter dem die große Schlacht vonstatten geht. (DER STANDARD, Printausgabe, 28.06.2005)