US-Soul-Songwriter Terry Callier eröffnete gemeinsam mit dem heimischen Groove-Quartett Trio Exklusiv das Jazzfest Wien im Hof des Museumsquartiers: Dancefloor-Sounds und spirituelle Musik bei strahlendem Sonnenschein. Richtiger Ort, falsche Zeit.
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Wien – Möglicherweise haben es die in halb-edler Ausschussware aus dem Ostblock steckenden Hallodris vom Wiener Dancefloor-Kollektiv Trio Exklusiv sonst bei mitternächtlichen Clubkonzerten eher auf die Mütter abgesehen. Zum Start des heurigen Jazzfest Wien bei brütender Nachmittagshitze im Wiener Museumsquartier waren es dann allerdings eher die Kinder, die vorne tanzten.

Dabei wählten die Label- Kollegen von Schnappi dem Krokodil auf solidem Bassfundament durchaus eine forsche Gangart zwischen knallendem Funk und freien Ausbrüchen an Gitarre, Schlagzeug, Trompete und Saxofon. Sie konnte dann zumindest auch Teile der hier bei freiem Eintritt vertretenen Laufkundschaft älteren Semesters mit zunehmender Konzertdauer die Schwellenangst vor Jazz und seinen Folgen nehmen. Zumindest während der von Trompeter Richard Klammer mehr gebrüllten als gesungenen Nummern wurden die Köpfe zum Tanzen bewegt.

Das im Frühjahr erschienene zweite Album, International Standards, erfährt dabei live eine Aufrauung, die die einfach gehaltenen, aber intelligent arrangierten Tracks zwischen Dancefloor und Song bestens vertragen.

Gerade auch ihre jetzt nach einer krankheitsbedingten Absage bei der CD-Präsentation im Flex im März erstmals unternommene Live-Zusammenarbeit mit dem aus Chicago kommenden US-Soul- Songwriter Terry Callier beim Titel Slo-Mo zeigte, dass sich im Spannungsfeld zwischen Blaxploitation-Soundtracks und einer dem dreckigen Grunge-Rock geschuldeten Wah-Wah-Gitarre neue Aspekte abringen lassen. Die klingen entschieden zwingender, als es eine tageszeitbedingt lakonische, der Pflicht geschuldete Bühnenpräsenz vermuten lässt.

Anschließend präsentierte der 60-jährige Terry Callier aus Chicago seine seit Ende der 60er-Jahre wunderbar zwischen dem süßen Soul eines Curtis Mayfield und dem pastoralen Folk eines Nick Drake flauschig immer wieder Richtung jazziger Gemütlichkeit tendierenden Songs.

Love & Peace

Nachdem Callier mit seiner höhenlastigen Raspelstimme vor über drei Dekaden für Furore zumindest in Fachkreisen sorgte, kommerziell aber immer unbedankt blieb und die Musik über lange Zeit überhaupt aufgegeben hatte, wird er seit gut zehn Jahren von England aus mit späten Meisterwerken wie Timepeace oder dem aktuellen Album Lookin' Out auch erstmals von einem jungen Publikum entdeckt.

Dieses schätzt neben dem tief spirituellen Gestus und einem heute außer der Zeit wirkenden Habitus im Zeichen von Love, Peace & Understanding vor allem auch von DJs unternommene Remixes seiner Songs, die das Ringen um sehr wohl auch weltliche Erlösung in den Texten auf dem Dancefloor prägnant auf den Beat bringen.

Live tastete sich Callier mit freier Phrasierung sowie einer gemütlichen und freundlichen Altherren-Begleitband an eine dem künstlerischen Freiheitsgedanken verpflichtete Idee eines intimen "Folk- Jazz" heran, den man lieber zu später Stunde in einem kleinen Saal erlebt hätte als unter gleißender Sonne. Trotz allem Licht von einem imaginären Oben, von dem die Stücke durchflutet werden, darf man diese seltene Kunst keiner ungnädigen UV-Strahlung aussetzen. (Christian Schachinger, DER STANDARD Printausgabe 30.7.2005)