Kritiker nennen es "hire and fire", Heuern und Feuern. Doch wenn es um die Ursachen des britischen Aufschwungs geht, führt Tony Blairs Kabinett den flexiblen Arbeitsmarkt stets an erster Stelle ins Feld.

Praktisch unverändert hat die Labour-Riege, seit acht Jahren im Amt, die Praxis ihrer konservativen Vorgänger Margaret Thatcher und John Major übernommen. Der Kün- digungsschutz ist mini- mal, Unternehmen können ihre Mitarbeiter ebenso schnell entlassen wie neue einstellen. Der Erfolg gibt Blair Recht. Mit einer Arbeitslosenquote von 4,8 Prozent kann sich die Insel im Europavergleich sehen lassen. Insbesondere der Dienstleistungssektor profitiert von der hohen Flexibilität, daneben natürlich auch vom Siegeszug des Englischen im globalen Weltdorf. Allein in der Service-Branche wurden seit 1997 rund 2,1 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen.

Als Erfolgsstory gilt die "Jobseeker's Allowance", Arbeitslosengeld und Sozialhilfe, von Major 1996 zu einer Leistung zusammengefasst. Sie wird sechs Monate gezahlt und beträgt 83 Euro pro Woche, für unter 25-Jährige nur 65 Euro. Wer sie kassieren will, muss sich alle zwei Wochen bei seinem persönlichen Arbeitsvermittler melden. Der Zwang, rasch Arbeit anzunehmen, ist entsprechend groß.

Gezielt schafft der Staat Anreize, niedrig entlohnte Jobs anzunehmen. Durch "Working Tax Credit" und "Child Tax Credit" bekommen Geringverdiener einen Teil ihrer Einkommensteuer zurück. So erhält ein Ehepaar mit zwei kleinen Kindern und einem Jahreseinkommen von 35.000 Euro, das obendrein einen Babysitter beschäftigen muss, um arbeiten zu können, pro Jahr 12.200 Euro vom Fiskus.

Allerdings hat das Jobwunder auch seine Schattenseiten. Oft ist es bequemer, Billiglöhne zu zahlen, als in moderne Technik zu investieren. Bei der Produktivität hinkt das Königreich Konkurrenten deshalb weit hinterher. Zudem halten Skeptiker die niedrige Arbeitslosenziffer für geschönt und weisen auf die geringen Pensionen hin (118 Euro pro Woche), bei denen Staat wie Unternehmen sparen. (Frank Herrmann/DER STANDARD, Printausgabe, 1.7.2005)