Nagl zum möglichen EU-Beitritt der Türkei: "Erstens die Stadt Graz ist Menschenrechtsstadt, wir sollten einmal deutlich sagen, dass wir niemanden heiraten wollen, daher ein ganz klares Nein zu Beitrittsverhandlungen und zum Beitritt."

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Graz – Thomas Rajakovics hatte Mühe, die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Ausgerechnet er, der von der Caritas als Pressesprecher ins Büro des Grazer Bürgermeisters Siegfried Nagl (VP) geholt wurde, musste die von der SPÖ und den Grünen als "rassistisch" kritisierten Aussagen seines Chefs wieder gleichbügeln. Nagl sei "falsch interpretiert worden", entschuldigte Rajakovics.

Der Grazer Bürgermeister hatte wieder einmal allzu offenherzig dargelegt, was ihn so bewegt. "Aus aktuellem Anlass" müsse er vor einer "Hochzeit" mit der Türkei warnen, notierte Nagl in einer Aussendung. Im ORF-Interview wurde Nagl deutlicher: "Man sollte einfach sagen, heiraten wollen wir euch nicht, wir wollen gute Nachbarn sein, aber keinesfalls, dass ihr in unserem Wohnzimmer sitzt." Es gebe eine "Urangst" in der Bevölkerung, die geschichtliche Ursachen habe.

Nagl: "Graz war immer das letzte Bollwerk eines westlichen Europas gegenüber den türkischen Übergriffen. Graz hat eine lange Geschichte des Abwehrkampfes gegen die Türken geführt. Wir führen diesen Abwehrkampf heute nur mit anderen Mitteln, das ist die Diplomatie." Der Kampf müsse fortgesetzt werden.

Asylangebot in FPÖ

Es hagelte umgehend Kritik- und Lobeshymnen. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache schickte Nagl die Einladung, er sei "innerhalb der FPÖ jederzeit herzlich willkommen", er wolle Nagl politisches Asyl gewähren, falls es in der VP zu eng werde.

Die Grazer SPÖ sprach von einem Rückfall ins Mittelalter, die Aussagen Nagls seien "unwürdig für die Menschenrechtsstadt Graz". SPÖ-Klubchef Karl Heinz Herper plant einen Misstrauensantrag, Verbündete findet die SPÖ in den Grünen, die Nagls Rücktritt forderten. Die KPÖ will bis Montag beraten.

ÖVP-Landeschefin und Landeshauptfrau Waltraud Klasnic, hält hingegen schützend die Hand über ihren politischen "Ziehsohn" Siegfried Nagl. Sie verstehe den Grazer Bürgermeister "sehr gut". Nagl selbst geht im Standard-Gespräch in die Gegenoffensive. Er werde in der nächsten Gemeinderatssitzung einen Antrag stellen, in dem Graz die EU auffordern werde, nicht mit der Türkei zu verhandeln.

Nagl: "Ich habe nur das ausgesprochen, was die Menschen denken. Ich bin kein Rassist, aber ich ziehe Grenzen. Es geht mir darum, auch dem linken Lager, wo nur Heuchelei herrscht, mutig und deutlich etwas zu sagen. Man kann nicht über Menschenrechte diskutieren, aber zu feig zu sein, etwas gegen die Menschenrechtsverletzungen, zu den Folterungen, Steinigungen, zur Kriegsbereitschaft gegen den Irak zu sagen. Ich hab nur ausgesprochen, was viele Menschen denken." EU-Werte würden in der Türkei nicht gelebt, daher dürfe erst gar nicht verhandelt werden. (Walter Müller, DER STANDARD, Print, 2./3.7.2005)