Netzpolitik
Offensive gegen Serien-Abmahnungen im Netz
Freedom for Links und die Autoren von SELFHTML rüsten gegen den berüchtigten Link-Kläger Freiherr von Gravenreuth - Musterprozess für Rechtssicherheit im Netz angestrebt
Im Web formiert sich Widerstand gegen die Abmahner vom Dienst. Die Internet-Initiative Freedom for Links
(FFL) und die Autoren von
SELFHTML
haben sich , wie Heise berichtet, zusammengetan, um gemeinsam gegen die
systematische Abmahnung zahlreicher Website-Inhaber wegen angeblicher Markenschutzverletzungen
vorzugehen. SELFHTML ist ein mittlerweile weit verbreitetes Online-Manual, das
Selfmade-Programmierern als Kursus für die Dokumentensprache HTML dienen soll.
Gerade die Beliebtheit der Publikation wurde ihrem Urheber Stefan Münz und vor ihm vielen Fans seines
Werkes, die selbiges auf ihrer eigenen Homepage zur Verfügung gestellt hatten, zum Verhängnis. Stein des
Anstoßes ist ein Verweis auf die Software FTP-Explorer der US-Firma FTPx innerhalb des Dokuments.
Die Markenrechte an dem Namen "Explorer" besitzt in Deutschland nicht etwa, wie wohl die meisten
vermuten würden, Microsoft als Entwickler des Internet Explorer, sondern die eher unbekannte Ratinger
Firma Symicron GmbH. Diese sah durch die Links ihre Rechte verletzt und schaltete den berüchtigten Rechtsanwalt
Freiherr von Gravenreuth
ein, um ihre Ansprüche gegenüber der Vielzahl kleiner Homepage-Betreiber –
darunter Privatleute, Bürgerinitiativen, Vereine und Universitäten – durchzusetzen: Seit Mitte 1999 hat der
Freiherr nun im Auftrag seines Mandanten etliche Abmahnungen verschickt mit der Aufforderung, die
beanstandeten Links zu löschen und Anwaltskosten in Höhe von rund 1900 Mark zu übernehmen.
Stefan Münz selbst, der eigentlich Verantwortliche dafür, dass das Handbuch mitsamt dem Link des
Anstoßes so weit verbreitet ist, blieb zunächst unbehelligt. Auch gegen FTPx selbst ging Gravenreuth nicht
vor. Erst Anfang März diesen Jahres flatterte Münz eine Abmahnung des Freiherrn ins Haus. Münz will im
Gegensatz zu den vorher wegen SELFHTML abgemahnten "Kollegen" jedoch nicht klein beigeben und hat
am 30. März eine negative Feststellungsklage beim Landgericht Düsseldorf eingereicht, um damit der
erwarteten Klage Gravenreuths zuvorzukommen.
Der FFL und Münz streben mit ihrem Vorgehen einen Musterprozess an, der die generelle Behandlung des
Markenrechts speziell im Internet beleuchten und zu mehr Rechtssicherheit führen soll. "Wir sind
entschlossen, notfalls bis zum BGH zu gehen", sagte Münz zu c't. Der FFL hat ein Spendenkonto
eingerichtet, um den Prozess, der durchaus Zehntausende von Mark verschlingen könnte, zu finanzieren.
Der FFL betreibt eine Datenbank im Web, in der Abmahnfälle erfasst werden. Vergangene Woche hatte
Gravenreuth die Korrektur von Einträgen und die Herausgabe anonymisierter Daten aus dieser Datenbank
verlangt. Nach der Berichterstattung über diesen Vorgang war es im FFL-Forum zu wüsten
Beschimpfungen und sogar Morddrohungen gegen Gravenreuth gekommen. Der FFL hatte sich daraufhin
gezwungen gesehen, das Forum zu schließen. (heise)