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Vier Kreisky-Minister mit Nazivergangenheit: Hans Öllinger, Oskar Weihs (beide Landwirtschaft), Josef Moser (Bauten), Otto Rösch (Inneres und Verteidigung).

Foto: APA/Votava
Hans Öllinger, 1914 in Salzburg geboren, arbeitete als Diplomingenieur in der Landwirtschaft. Sehr früh, im Juni 1933, trat er der SA (Sturmabteilung), der militanten Truppe der NSDAP in Österreich, bei. Im Dezember 1937, als sich der "Anschluss" an Deutschland bereits abzeichnete, trat er der SS (Schutzstaffel) bei, der Elitetruppe der inzwischen verbotenen NSDAP. Knapp nach dem Anschluss 1938 wurde er auch NSDAP-Mitglied. In der SS hatte er den Rang eines "Oberscharführers" (etwa: Hauptfeldwebel). Mit Kriegsbeginn September 1939 erhielt er die Einberufung zu den SS-Totenkopfverbänden und hätte nach eigener Aussage "Sicherheitsaufgaben im Reich oder im besetzten Polen" durchführen sollen. Das bedeutet entweder Dienst im KZ oder Teilnahme an Massenerschießungen. Öllinger erklärte später, er habe sich deshalb im Frühjahr 1940 zur Wehrmacht gemeldet.

Im Frühjahr 1970 wurde Öllinger vom frisch gewählten Bundeskanzler Bruno Kreisky (SPÖ) zum Landwirtschaftsminister ernannt. Seine NS-Vergangenheit war Kreisky bekannt, er fragte ihn nur, ob er in der SS "etwas angestellt" habe. Als Öllingers SS-Mitgliedschaft aufkam, wurde er von Kreisky wütend verteidigt, musste aber zurücktreten. Ihm folgte Oskar Weihs.

Die zweite Welle

Der wiederum war NSDAP-Mitglied und Träger der "März-Medaille 1938" für "Verdienste um den Anschluss von Österreich ans Deutsche Reich". Weihs blieb Minister, gemeinsam mit dem früheren NSDAP-Mitglied Josef Moser (Bauten) und Otto Rösch (Inneres und Verteidigung), ein Mitglied des NS-Lehrerbundes, der 1946 wegen Zugehörigkeit zu einer Neo-Nazi-Gruppe vor Gericht stand (er sagte, Innenminister Oskar Helmer habe ihn als Spion eingeschleust).

Diese spannenden Biografien kann man in dem Werk "Entnazifizierung zwischen politischem Anspruch, Parteienkonkurrenz und Kaltem Krieg. Das Beispiel der SPÖ", Herausgeberin Maria Mesner, Oldenbourg-Verlag, nachlesen. Es ist die Aufarbeitung der "braunen Flecken" in der SPÖ.

Kreiskys Sammlung von Ministern mit teilweise höchst bedenklicher NS-Vergangenheit war sozusagen die "Zweite Welle" im Buhlen der SPÖ um mehr-oder minderbelastete Nazis. Die erste Welle erfolgte in den ersten Nachkriegsjahren, als die SPÖ einsehen musste, dass gegen die rund 600.000 NS-Parteimitglieder keine Wahl zu gewinnen und kein Staat zu machen war. Es waren einfach zu viele. Diese Einsicht wurde noch dadurch verstärkt, dass etliche der SP-Gründerväter (Karl Renner, Adolf Schärf, Oskar Helmer) ausgemachte Antisemiten waren - die SPÖ sollte sich wegen des Namens des Renner-Instituts etwas überlegen.

Aber auch die ÖVP, die jetzt doch ihre eigene Gründergeneration auf NS-Flecken untersuchen will, bemühte sich genauso um die Ex-und Immer-noch-Nazis.

Die Bedeutung der "Zweiten Welle" unter Kreisky bestand darin, dass es erstens ein jüdischer Emigrant war, der nun die "Versöhnung" mit den Ex-Nazis suchte; und zweitens, dass seine absoluten Mehrheiten bei Wahlen und damit die verklärte "Ära Kreisky" 1970-83 ohne dieses Signal an das "nationale Lager" niemals möglich gewesen wären. (DER STANDARD, Printausgabe, 07.07.2005)