Wien - Mit scharfen Worten kritisiert der Grazer Strafrechtler Peter Schick die Zwangsernährungs-Regelung, die heute, Donnerstag, im Nationalrat - auch von der SPÖ - mit dem Asylpaket beschlossen wird. In Sachen Zwangsernährung werde ein "Umweg" gewählt, der anscheinend nötig sei, um die Opposition zur Zustimmung zu motivieren. Die praktizierte Doppelverweisung sei "politische Unkultur in reinster Ausprägung", empörte sich Schick.

"Wenn von den federführenden Ministerien (Innen und Justiz) die Oppositionspolitiker für dumm verkauft werden sollen, sei es! Das Volk darf jedoch nicht für dumm verkauft werden", betonte der Grazer Strafrechtler. Und: "Entweder können Politiker Gesetzesentwürfe, Regierungsvorlagen und die dazugehörigen Erläuterungen nicht lesen oder sie wollen sie nur so deuten, wie es ihnen in ihren politischen Kram passt." Wenn man glaube, ohne Zwangsernährung nicht auskommen zu können, soll man die Erlaubnis dazu "expressis verbis, unter Anführung aller notwendigen Kautelen, ins Gesetz hineinschreiben". Seiner Meinung nach könnte schon die bloße Androhung von Zwangsernährung präventiv wirken.

Für den Wiener Strafrechtler Frank Höpfel ist die geplante Gesetzesbestimmung "wegen ihres systematisch-strategischen Charakters überschießend". Wie schon die Schubhaft selbst ist aus seiner Sicht auch die Zwangsernährung von Asylwerbern unmenschlich.

Im neuen Fremdenpolizeigesetz wird die Möglichkeit der Zwangsernährung von Schubhäftlingen überhaupt nicht erwähnt. Sie wird jedoch ermöglicht - und zwar mittels zweifacher Verweise auf einschlägige Stellen in anderen Gesetzen: Im neuen Par. 79 Fremdenpolizeigesetz steht nur, dass für die Anhaltung in Schubhaft Par. 53d Verwaltungsstrafgesetz (VStG) gilt. Dieser Par. 53d regelt, dass für den Vollzug der verwaltungsbehördlich verhängten Freiheitsstrafen in gerichtlichen Gefangenenhäusern und Strafvollzugsanstalten - auch für Schubhäftlinge - die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes 1969 sinngemäß anzuwenden sind. Eine Reihe von Ausnahmen wird aufgezählt, nicht aber der Par. 69 Strafvollzugsgesetz. Dieser ist also anzuwenden - und er regelt, dass Strafgefangene, die die Aufnahme von Nahrung verweigern, wenn erforderlich nach Anordnung und unter Aufsicht des Arztes zwangsweise zu ernähren sind. (APA)