Die Halbinsel Primosten

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Eine Bestandsaufnahme über Träger des "Goldenen Kroatien-Treue-Ordens", dalmatinische Inselschönheiten und die Zubereitung von Fischspezialitäten. "Das hier ist mein Sanatorium", sagt Alfred Kranisch, der wie ein waschechter Hamburger Matrose aussieht und dabei doch in Mainz lebt - wenn er nicht gerade auf einer seiner vielen Weltreisen ist. Er raucht eine Zigarette nach der anderen, trinkt fidel sein Bierchen, und das obwohl er gerade eine leichte Grippe hat und im Bett liegen sollte. So nebenbei will er uns weismachen, dass er schon 76 Jahre alt ist. Wenn das keine gute lebende Werbung ist: so fit und immer noch auf Achse. Bereits seit 1968 macht Kranisch im kroatischen Ort Primosten Urlaub - jedes Jahr (egal ob in Kriegs- oder Friedenszeiten) immer im selben Hotel (nur als Flüchtlinge hier untergebracht wurden, stieg er auf Privat um): "Sein" Hotel Zora war damals noch ein typischer kommunistischer Plattenbau. "Alles in Braun gehalten, die Teppiche so versifft, dass ich lieber nicht barfuß gehen wollte", erinnert sich der Stammgast. Bereits damals war das überzeugendste Argument des Hotels seine perfekte Lage. Zumindest daran hat sich bis heute nichts geändert - eine kleine Halbinsel mit Pinienbäumchen, umgeben von zwei malerischen Buchten und einem Meer, das wie eigens eingefüllt aussieht. Und in ein paar Minuten ist man im ehemaligen dalmatinischen Fischerort Primoten, der mittlerweile freilich sehr touristisch geworden ist, außer man macht es wie Herr Kranisch, der nur in der Vor- und der Nachsaison kommt. Schließlich wolle er sich nicht mit langweiligen Pärchen und Familien den den Weg zum Strand teilen! Seit 2003 ist das alte Hotel Zora im Besitz einer österreichischen Kette, die der größte Hotelbetreiber in Kroatien ist: Azalea hat das großzügige Plattenbau-Areal recht passabel renoviert - die Leuchtkästen über den Türen und winzige Details erinnern noch an früher, aber bald sollen auch diese letzten Zeugen alter Zeiten verschwinden. Zum Glück wurde der alte exzentrische Swimmingpool direkt am Meer, der wie ein Planetarium aussieht und sich auch so öffnen lässt, auf Druck der Stadt nicht abgerissen, sondern originalgetreu renoviert. Das Zora will im Sommer ein Familienparadies werden. Für Reisende, die im Privatbucherland Kroation (60 Prozent der Unterkünfte werden privat vermietet) auf ihr Hotel nicht verzichten wollen, ist Azalea eine passende Alternative. Die Zimmer haben große Balkone und Meerblick ist fast überall garantiert. Dalmatinisches Sushi Komisch, so etwas zu sagen, aber was an Kroatien fasziniert, sind etwa seine Straßen. Man fährt permanent an der Küste entlang, das Meer vor Augen, die Buchten übersichtlich vor einem, und die Unterkünfte nicht schwer zu erreichen. Kroatien ist das Land der endlosen Küste. Und es ist das Land der leuchtend roten Dächer. Jedes Haus ist frisch gedeckt - was einen durchaus irritieren kann, denn schließlich wurde nicht nur aus Erneuerungsfuror alles renoviert: Der Krieg liegt nicht weit zurück und auch das einstige und jetzige Urlaubsparadies Dalmatien war schwer zerbombt - im abgelegenen Hinterland lauern immer noch unentdeckte Minen. Nördlich von Split unter Zadar liegt die Insel Murter, einer der "Eingänge" zu den Kornati-Inseln, von denen George Bernard Shaw so angetan war, dass er über sie schrieb, dass "Gott am letzten Schöpfungstag sein Werk krönen wollte und aus einer Mischung aus Tränen, Sternen und Wind die Kornaten schuf". Das ist zwar pathetisch, aber gar nicht so falsch, die Inseln (ungefähr 220, aber wer weiß das schon genau, jeder Reiseführer sagt etwas anderes) wirken wie Mondlandschaften: majestätisch, kahl und beeindruckend leer. Sie sind bis auf ein paar Steinhäuser (die man exklusiv mieten kann) unbewohnt. Wilde Schafe tummeln sich auf ihnen und fressen das Gras (der Schafskäse aus ihrer Milch schmeckt besonders würzig). Im Wasser begegnet man großen abgezirkelten Anlagen: Hier wird Tunfisch für den japanischen Markt gezüchtet, der seine Sushis, ohne es zu wissen, aus Kroatien geliefert bekommt. Nachts, so erzählt die Reiseführerin, werden die Anlagen mit Scheinwerfern bestrahlt, aber nicht aus Angst vor Wasser-Wilderern, sondern, weil bei einem Gewitter die Fische auszucken und sich gegenseitig anfallen. Deshalb müssen sie immer mit Licht leben. So leer die Inseln sind (wie so oft sind die Eigentumsverhältnisse nicht geklärt und deshalb wurde ein Baustopp verhängt), so gibt es doch einige wenige Ausflugslokale mit heimischem Fisch (auch Hai steht auf der Karte!). Sie sind Oasen in diesem Niemandsland. In der Vorsaison an kühleren Tagen stellt sich hier so etwas wie ein Skandinaviengefühl ein - Weite und Einsamkeit, wohin das Auge blickt. In der Hauptsaison drängt sich ein Boot ans andere, die Kornaten sind ein Seglerparadies. Ein anderer Pflichtausflug in die Natur dieser Gegend ist der Krka-Nationalpark mit seinen berühmten Wasserfällen. Man kann einen Bootstrip machen und dann einen längeren Spaziergang an den kleinen Kanälchen entlang. Blaue Schmetterlinge tummeln sich, und die Frösche sind so laut, dass man sich wundert, nur zwei oder drei zu sehen und nicht Hunderte von ihnen. "Zu Hause" in der Hotelbar sitzt Alfred Kranisch zufrieden und trotzt seiner Grippe im "Sanatorium" am Meer. "Ich bin ein Typ, der lässt sich im Urlaub nicht ärgern. Da kann geschehen, was wolle", sagt er gelassen. Und Recht hat er. (Der Standard, Printausgabe 23./24.7.2005)