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... Ganz sicher ist er sich aber nicht. Mit Orban sprach Adelheid Wölfl.

STANDARD: Denken Sie immer noch, dass Rumänien 2007 der EU beitreten wird?

Orban: Ich bin optimistisch, aber nicht zu hundert Prozent sicher. Wichtige europäische Politiker sprechen sich gegen die Erweiterung aus. Das ist sehr riskant und es beeinflusst die Bevölkerung. Wenn wir fortfahren, dieses Spiel zu spielen, wird es wirklich gefährlich, weil die EU ja hauptsächlich unter internen Problemen leidet.

STANDARD: Ist Rumänien ein Opfer der EU-Krise?

Orban: Nein, die Anwendung der Schutzklausel hängt vom Niveau unserer Vorbereitung ab. Der Ball ist in unserer Hand. Aber das europäische Klima ist nicht positiv.

STANDARD: Die SPÖ ist für einen generellen Erweiterungsstopp, das BZÖ fordert die Verschiebung des rumänischen und bulgarischen Beitritts.

Orban: Was meinen die Leute, wenn sie über ein Ende der Erweiterung sprechen? Wann soll sie gestoppt werden? Manchmal gibt es hier ein Missverständnis, was die EU- Erweiterung betrifft. Es wird nicht berücksichtigt, dass es unterschiedliche Stadien im Beitrittsprozess gibt. Wir sind kein Kandidatenland mehr, wir sind ein beitretendes Land. Wir haben den Beitrittsvertrag unterschrieben. Das bedeutet, dass wir Verantwortung haben, aber auch die EU- Mitgliedsländer. Wir sind zwar nicht mit beiden Beinen im Klub, aber mit einem schon. Wir schauen sehr genau, was im österreichischen Parlament vor sich geht. Es geht auch um die Ratifizierung des Beitrittsvertrags. Dazu brauchen wir ja eine Zweidrittelmehrheit im Parlament und deshalb ist es nicht nur nötig, die österreichische Regierung zu überzeugen.

STANDARD: Was erwarten Sie von Österreichs EU-Vorsitz?

Orban: Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Entscheidung betreffend die Anwendung der Schutzklausel (die eine Verschiebung des Beitritts um ein Jahr vorsieht, Anm. der Red.) während des österreichischen Vorsitzes getroffen wird. Also liegt es auf der Hand, was ich erwarte.

STANDARD: Wird Österreich das meistern?

Orban: Ich hoffe.

STANDARD: Welche Konsequenzen hätte die Anwendung der Schutzklausel?

Orban: Es würde ohne Zweifel eine politische Krise geben. Das wäre ein richtiger Schlag, hauptsächlich für die Bevölkerung. Wir sind so erpicht darauf, sobald als möglich beizutreten.

STANDARD: Im Oktober wird der nächste Monitoringbericht veröffentlicht. Welches Ergebnis erwarten Sie?

Orban: Es wird keine völlig positive Beurteilung Rumäniens geben. Das ist nicht möglich. Aber mein Eindruck ist, dass es hauptsächlich ein positiver Bericht sein wird. Wir sind im Allgemeinen auf der richtigen Schiene. Aber wir müssen noch arbeiten, um die Korruption zu bekämpfen, das Justizwesen zu konsolidieren, die EU-Fonds zu managen und die Verwaltung und die Grenzkontrollen zu reformieren. Wenn wir bei dem Monitoringbericht, der im Frühling 2006 publiziert wird, eine positive Bewertung bekommen, werden auch zögerliche europäischen Politiker dem Beitritt im Jahr 2007 zustimmen.

STANDARD: Die rumänische Regierung ist nicht stabil. Wird es vorgezogene Wahlen geben?

Orban: Das ist sehr unwahrscheinlich vor dem zweiten Semester 2006. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass es einen Wechsel in der Ministerriege in den kommenden Wochen geben wird. (DER STANDARD, Printausgabe, 27.07.2005)