derstandard.at/Hendrich
STANDARD : Nach derzeitigen Berechnungen reicht die am ersten Mai beschlossene Forschungsmilliarde nur bis 2009. Für 2010 braucht es neue Offensivmittel. Stimmt das?

Bartenstein: Die derzeitigen Planungen sagen: eine Milliarde zusätzlich, und zwar von 2005 bis inklusive 2010. Aber ich denke, 2009/2010 ist ein durchaus mittelfristiger Zeithorizont. Abgesichert sind 125 Millionen Euro zusätzlich für 2005 und 2006. Was 2010 anbelangt: Lassen Sie uns diese Brücke bauen, wenn wir am Ufer des Flusses angekommen sind.

STANDARD: Wie viel dieses über Anleihe finanzierten Offensivprogramms sind steuerliche Anreize, wie viel Förderungen?

Bartenstein: Diese Mittel sollen und werden fließen. Es geht dabei nicht um indirekte steuerliche Förderung aus dem Titel Auftragsforschung, Forschungsfreibetrag, Forschungsprämie, sondern um zusätzliche Mittel für die Aufgaben des Forschungs-, Bildungs- und Wirtschaftsressorts, der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, für den Wissenschaftsfonds FWF, die Akademie der Wissenschaften und, besonders wichtig, das neue Austrian Institute for Advanced Science and Technology (AIAST). Bei der indirekten Förderung ist Österreich bereits bei den Spitzenreitern in Europa.

STANDARD: Das heißt, F&E wird unterm Strich deutlich mehr aufgestockt als um die eine Milliarde. Freibeträge, Forschungsprämie werden aus dem Budget finanziert?

Bartenstein: Ja. Neu dazugekommen ist als Output des Reformdialogs für Wachstum und Beschäftigung ja nur die steuerliche Geltendmachung von Auftragsforschung, also Forschungsaufträge, die Betriebe an Institute vergeben. Mit welchem Volumen das eingeschätzt wird, war zuletzt noch in Diskussion. Die Rede war einmal von 80 bis 100 Millionen Euro pro Jahr.

STANDARD: Steuerliche Anreize haben nachweislich die größten Mitnahmeeffekte, weil letztlich Finanzbeamte und/ oder Steuerberater entscheiden, was als Forschung absetzbar ist. Ist das der beste Weg, um Stärken auszubauen?

Bartenstein: Die Reihenfolge ist natürlich umgekehrt: Das Unternehmen entscheidet, wahrscheinlich mithilfe des Steuerberaters, was geltend gemacht werden soll. Ich weiß aber, dass es in der Praxis sehr genau geprüft wird - nicht immer zur Freude der Unternehmungen. Es geht um den richtigen Mix, und ich glaube, der ist jetzt da. Sowohl die Forschungs- wie auch die Unternehmer-Community sind mit dem, was bei Forschung und Technologieförderung erreicht wurde, zufrieden - finanziell und strukturell. Ich kenne kaum einen zweiten Bereich unserer Regierungstätigkeit, wo in den letzten Jahren so viel Bahnbrechendes gelungen ist. Noch dazu in wirklich herzeigbarer Zusammenarbeit der vier Ressorts Forschung, Bildung, Wirtschaft und Finanzen sowie Nationalstiftung und FFG. Wir haben alle Ziele erreicht, und werden 2006 auch noch das 2,5-Prozent-Ziel erreichen.

STANDARD: Der Aufholprozess war vergleichsweise einfach, die Steigerungen bis auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts 2010 werden deutlich schwieriger sein. In welchen Bereichen muss sich Österreich besser positionieren?

Bartenstein: Wir sind dort, wo wir hinwollten, was die Input-Seite anbelangt, also bei Strukturen, Förderung, steu- erlichen Anreizen. Jetzt ist es an der Zeit, die Output-Orientierung zu forcieren. Dabei ist sicher das AIAST ein wichtiger Meilenstein - und die Forschungsstrategie, die in Alpbach vorgestellt werden soll. Der nächste Meilenstein ist dann die Erstellung eines Aktionsplans für Innovation und dessen Einbindung in die Lissabon-Strategie, wo Innovation ein wichtiger Teil ist.

STANDARD: F&E ist ein wichtiger Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit, aber eben nur als einer von vielen. Der arbeitsmarktpolitische Effekt aus diesem Titel etwa geht gegen Null, zumindest kurzfristig. Wie erklären Sie die hohen F&E-Ausgaben einer Arbeitslosen?

Bartenstein: Wir haben Wachstum, brauchen aber Maßnahmen, um das Wachstumstempo zu beschleunigen. Es kommt für mich nicht in Frage, die aktive Arbeitsmarktpolitik zurückzuschrauben, wie das in Deutschland gerade diskutiert wird. Wir setzen Maßnahmen, erhöhen zum Beispiel die Zahl der in der Vermittlung tätigen Mitarbeiter des Arbeitsmarktservice. Im Herbst kommt der "Blum-Bonus" zur Attraktivierung des Lehrstellenangebots. Die Arbeitsmarktpolitik ist die Feinsteuerung, das große Momentum für mehr Beschäftigung kann aber ausschließlich aus Wachstum kommen.

STANDARD: Um bei der Forschungsförderung von der Gießkanne der Aufholphase wegzukommen: Wo hat Österreich Stärken und Potenzial für wahrnehmbare Größe?

Bartenstein: Nach Forschungsfeldern geordnet sind es nach wie vor Life- und Bioscience, Nanotechnologie und, und, und. Da unterscheiden wir uns nicht, da können wir nicht sagen, wir nehmen nur das eine und lassen das andere. Wo wir deutlich wachsen können, ist Umwelttechnik, erneuerbare Energieträger, Luftfahrt. In der Luftfahrt haben wir mit der Eurofighter-Beschaffung ein Vier-Milliarden-Euro-Ticket gelöst in den Klub der europäischen Hochtechnologie mit Schwerpunkt Luftfahrt. Was hier läuft an Zulieferungen für den Airbus A380, ist beachtlich, beim A350 sollen sie verdoppelt werden. Insgesamt können wir es uns aber noch nicht leisten, in irgendeinem Forschungsfeld nicht dabei zu sein.

STANDARD: Muss Umwelt- und Energietechnik mehr gefördert werden?

Bartenstein: Die Förderungen waren mir bisher zu sehr Richtung Wind und damit ausländischer Technologie und zu wenig Richtung Biomasse und Biogas und damit in Richtung inländische Technologie.

STANDARD: Laut Positionspapier "Strategie 2010" des Forschungsrates wächst die unternehmensbezogene Forschung bis 2010 auf 5,6 Milliarden Euro oder 64 Prozent der gesamten F&E-Ausgaben, der Hochschulsektor hingegen wird mit 1,85 Milliarden Euro von 27,3 auf 21 Prozent des Gesamtkuchens zurückfallen. Ist diese Verschiebung von der Grundlagenforschung hin zur Wirtschaft nicht gefährlich?

Bartenstein : Die Diskussionen dazu im Rat sind noch nicht abgeschlossen. Diese Aufgliederung nach institutionellen Kriterien gibt außerdem nicht ihre tatsächlich Verwendung wieder. Denn die Grundlagenforschung findet natürlich nicht nur in den Hochschulen, sondern selbstverständlich auch im so genannten kooperativen Sektor statt. Denken Sie an die Programme der Akademie der Wissenschaften, Kompetenzzentrumsprogramme und die CDG-Labors, um nur einige zu nennen. In Summe gibt es keine Verschiebung weg von der Grundlagenforschung. (DER STANDARD, Printausgabe, 01.08.2005)