Wien - Angesichts der weiter steigenden Arbeitslosigkeit in Österreich mit einer neuen Juli-Rekordquote bekräftigte der Präsident der Arbeiterkammer (AK), Herbert Tumpel, seine Forderung nach einem verbindlichen Investitionsprogramm in Infrastruktur und Bildung.

Mit 210.895 registrierten Arbeitslosen und 40.323 Personen in Schulungen waren mehr als 251.200 Arbeitnehmer im Juli 2005 auf Arbeitsuche - ein neuerlicher Rekordwert in der Zweiten Republik, so die AK am Montag in einer Aussendung. Die Regierung müsse daher im Herbst der EU ein nationales Reformprogramm für Wachstum und Beschäftigung vorlegen, "das seinen Namen verdient", so Tumpel. Als EU-Ratspräsident im nächsten Jahr werde Bundeskanzler Wolfgang Schüssel auch daran gemessen werden, was er zur Verringerung der Arbeitslosigkeit im eigenen Land zusammenbringe.

ÖGB: Arbeitslosigkeit Ursache allen Übels

ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch sprach sich heute für konkrete Maßnahmen zur Eindämmung der Arbeitslosigkeit aus. Die von Arbeitsminister Martin Bartenstein (ÖVP) veröffentlichten Zahlen verzerrten außerdem die tatsächliche, dramatische Situation auf dem heimischen Arbeitsmarkt, heißt es in einer Aussendung.

"Die Arbeitslosenzahlen steigen selbst im Sommer Monat für Monat, und auch die Zahl der Sozialhilfeempfänger hat die 100.000er-Marke bereits überschritten. Beides gefährdet den Sozialstaat, wenn nicht rasch konkrete Maßnahmen für ein Eindämmen der Arbeitslosigkeit gesetzt werden. Arbeitslosigkeit ist die Ursache allen Übels", so Verzetnitsch.

So sind laut ÖGB in den amtlichen Daten nicht jene Personen als arbeitslos berücksichtigt, die Schulungen absolvieren, im Krankenstand sind oder einen Pensionsvorschuss beziehen, weiters sind auch die Lehrstellen Suchenden nicht enthalten. All diese Personen zusammengenommen seien derzeit weitere rund 100.000 Menschen in Österreich ohne Arbeit und auf dem Weg in die Armut. "Die dramatische Situation am Arbeitsmarkt macht deutlich, dass die von der Bundesregierung beim Arbeitsmarktgipfel am 1. Mai dieses Jahres gesetzten Maßnahmen bei weitem nicht ausreichen," so Verzetnitsch.

Schwache Binnenkonjunktur "Achillesferse"

Die Ursache für die hohe Arbeitslosigkeit in Österreich liege nicht im Bereich des Exports und auch nicht in der Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Unternehmen. Achillesferse für die verfehlte Arbeitsmarktpolitik sei eindeutig die schwache Binnenkonjunktur. Um diese anzukurbeln fordert der ÖGB eine Steuerreform in Höhe von einer Milliarde Euro, die Arbeitnehmer mit kleineren und mittleren Einkommen zugute kommen müsse, sowie die Verdoppelung der Negativsteuer von 110 auf 220 Euro.

Angesichts der explodierenden Spritpreise sei auch eine Erhöhung der Pendlerpauschale sowie die Erhöhung des amtlichen Kilometergeldes ein Gebot der Stunde, heißt es in der Aussendung weiter.

Um die Jugendarbeitslosigkeit und den Lehrstellenmangel aktiv zu bekämpfen, müsse außerdem die Qualität der Berufsausbildung durch Schaffung eines Berufsausbildungsfonds gesichert werden. Der ÖGB fordert auch eine Aufstockung der Plätze in den Lehrgängen des Auffangnetzes auf 10.000 sowie mehr Kapazitäten in überbetrieblichen Lehrwerkstätten und ein Recht auf Lehrabschluss. Darüber hinaus verlangt der ÖGB-Präsident mehr Vollzeitarbeitsplätze vor allem für Frauen und mehr und bessere Qualifizierungsmöglichkeiten beim Wiedereinstieg ins Berufsleben sowie Verbesserungen des arbeits- und sozialrechtlichen Schutzes von Freien Dienstnehmern und Neuen Selbstständigen.

SP-Cap fordert mehr aktive Arbeitsmarktpolitik

Für den geschäftsführenden SPÖ-Klubobmann Josef Cap ist "Wolfgang Schüssel der Kanzler der Rekordarbeitslosigkeit". Kanzler Schüssel und Wirtschaftsminister Bartenstein "sehen seit Jahren tatenlos dabei zu, wie immer mehr Menschen arbeitslos werden". Zur Bekämpfung der Rekordarbeitslosigkeit brauche es daher einen kräftigen Wachstumsimpuls durch eine Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen und der investierenden Wirtschaft. Zudem müsse mehr in aktive Arbeitsmarktpolitik investiert werden, so Cap am Montag in einer Aussendung.

Grüne: Regierung sieht tatenlos zu

Kritik kommt auch von den Grünen: "Die Bundesregierung hat die seit Jahren ansteigende Arbeitslosigkeit tatenlos zur Kenntnis genommen. Die einzige Tätigkeit waren Versuche des Schönredens. Die Probleme sind aber hausgemacht, denn während in den meisten EU-Ländern die Arbeitslosigkeit sinkt, steigt sie in Österreich", so Karl Öllinger, stellvertretender Klubobmann und Sozialsprecher der Grünen.

FPÖ: Wirtschaft geht bergab

Die FPÖ wiederum führt die steigenden Arbeitslosendaten hauptsächlich auf die EU-Osterweiterung und die Wirtschaftspolitik der EU zurück. ÖVP-Politiker würden zwar erklären, "was für Glückspilze wir Österreicher sind, weil wir direkt von der EU-Erweiterung profitiert haben". Sie verschweigen aber, dass der Wirtschaft "langsam, aber sicher die Luft ausgeht", so der Bundesparteiobmann der FPÖ, Heinz-Christian Strache, am Montag in einer Aussendung.

Der neoliberale Wirtschaftskurs des Finanzministers und der "Hurra-EU-Patriotismus" der "schwarz-orangenen Bundesregierung" sei verantwortlich für dieses "Wirtschaftsfiasko". Es sei "Fakt, dass es mit unserer Wirtschaftsentwicklung langsam, aber sicher bergab geht", so Strache.

Kampf gegen Arbeitslosigkeit oberstes ÖVP-Ziel

Angesichts der gespannten Arbeitsmarktsituation bleibe die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit weiterhin oberstes Ziel, betonte indes ÖVP-Finanz- und Budgetsprecher Günter Stummvoll am Montag angesichts der heute, Montag, präsentierten Arbeitsmarktdaten bzw. in Reaktion auf Kritik seitens der Opposition.

Die Bundesregierung wende 1,5 Mrd. Euro für aktive und aktivierende Arbeitsmarktpolitik auf. Zu SPÖ-Zeiten im Jahr 1999 seien es gerade einmal 760 Mio. Euro gewesen. Darüber hinaus werde in den kommenden Wochen ein neues Beschäftigungspaket präsentiert, betonte Stummvoll.

Erfreut zeigte sich der ÖVP-Budgetsprecher über den positiven Trend bei der Entwicklung der offenen Stellen, die sinkende Verweildauer in der Arbeitslosigkeit und den kräftigen Rückgang bei den Langzeitarbeitslosen. Bei der Jugendarbeitslosigkeit liege Österreich weiterhin an vierter Stelle in Europa.

Monat für Monat würden SPÖ, Gewerkschaft und Arbeiterkammer die Arbeitsmarktsituation mit derselben Polemik kommentieren, ohne selbst Vorschläge und Initiativen vorzubringen, sagte Stummvoll. Österreich rangiere im europäischen Vergleich weiterhin absolut im Spitzenfeld. Die Arbeitslosenquote der EU-25 betrage 8,8 Prozent und liege damit deutlich über dem österreichischen Wert von 5,1 Prozent. (red/APA)