"Es zahlt sich nicht aus, nach rechts zu schielen", sagt Wiens Stadträtin Sonja Wehsely Richtung Bundes-SPÖ.

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Mit der SP-Integrations- und Frauenstadträtin in Wien sprach Lisa Nimmervoll auch über radikale Imame und geplante Zuwanderung.


STANDARD: Sie haben Ihre Partei, konkret die Bundes-SPÖ, indirekt als "Schleimerpartei" bezeichnet, weil sie das schwarz-orange Asyl- und Fremdenpaket mitbeschlossen hat: "Es bringt uns nichts, den rechten Rand anzuschleimen." Wie erklären Sie sich den roten Rutsch nach rechts?

Wehsely: Meine Aussage bezog sich allgemein auf die Frage, ob es sich auszahlt, in der Sicherheitspolitik nach rechts zu schielen und einen restriktiven Kurs zu fahren. Und da bin ich ganz fest der Meinung, die SPÖ wird und soll nie die beste Law-and-Order- Partei sein. Es ist, gerade auch in der Sicherheitspolitik, wichtig, klare Positionen zu beziehen und nicht nach links oder nach rechts zu schielen.

STANDARD: Die SPÖ will ihrer Klientel offenbar signalisieren, für Sicherheit mitzusorgen.

Wehsely: Beim Asylgesetz sind die schlimmsten Dinge von der SPÖ verhindert worden. Die legitime Frage bleibt, ob das ausreichend ist, dass man zugestimmt hat. Wenn man so ein Paket ausverhandelt, muss man auch eine gemeinsame Präsentation ausverhandeln.

STANDARD: Und was sagen Sie als Integrationsstadträtin zum mitgelieferten Fremdenpaket?

Wehsely: Die neuen Restriktionen, etwa bei den verpflichtenden Deutschkursen, sind einfach ein falsches Modell. Das sehen wir in Wien, wo wir ausreichend Kurse anbieten, die auch angenommen werden. Generell halte ich es für grundfalsch, Asyl- und Fremdenrecht in einem Paket zu vermantschen und so zu tun, als wäre das dasselbe. Asyl ist das eine, Zuwanderung das andere. Diese Vermischung war kein Zufall, sondern wurde von der Bundesregierung bewusst so gemacht, so dass alle nur mehr vom Asylpaket gesprochen haben.

STANDARD: Es gibt Stimmen, die sagen, die SPÖ-Spitze hat die Oppositionsrolle so satt, dass ihr alles, sogar die Juniorrolle in einer großen Koalition lieber wäre, daher die Vorleistungen.

Wehsely: Dass der SPÖ die Oppositionsrolle bis "hierher" steht und sie nicht Opposition sein will, finde ich gut und richtig so. Denn die SPÖ soll möglichst bald wieder stärkste Partei werden und möglichst bald den Bundeskanzler stellen, damit es in diesem Land wieder aufwärts geht.

STANDARD: Ein bisschen hat man den Eindruck, die SPÖ hat Rot-Grün entsorgt. Angst vor dem "Deutschland-Syndrom"?

Wehsely: Es ist jetzt nicht die Zeit, über Koalitionen zu reden. Das einzig wichtige Ziel ist, dass die SPÖ stärkste Kraft wird, dann verhandeln wir.

STANDARD: Wo sehen Sie denn Gemeinsamkeiten zwischen der ÖVP und der SPÖ?

Wehsely: Wenn ich mir den Kurs von Bundeskanzler Schüssel anschaue, zögere ich. Aber grundsätzlich ist die ÖVP eine Kraft, die über viele Jahre in dieser Republik auch viel geleistet hat. Da einfach zu sagen, die ÖVP kommt als Koalitionspartner nicht infrage, weil Schüssel fünf Jahre lang katastrophale Politik gemacht hat, wäre relativ kindisch und zu kurzsichtig.

STANDARD: Was trennt Rote und Grüne am meisten?

Wehsely: Ein wichtiger Punkt ist, dass für die Sozialdemokratie die soziale Frage sicher die Frage ist, die traditionell über allem steht. Da unterscheiden wir uns sicherlich deutlich von den Grünen. Auch beim Verkehr trennen uns gewisse Dinge. Und bei den Grünen ist es nicht immer einfach, Linien und Positionen auszumachen. Stichwort Studiengebühren, die für die Grünen plötzlich keine Koalitionsbedingung mehr sind.

STANDARD: An Ihrer Tür steht, Sie sind für Integrations- und Diversitätsfragen zuständig. Was unterscheidet Diversitätspolitik von Integrationspolitik?

Wehsely: Diversitätspolitik ist eine Weiterentwicklung der Integrationspolitik. Es geht darum, die Vielfalt, die in Wien besteht, zu akzeptieren und auch als Chance zu sehen. Wir haben in Wien rund ein Viertel der Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Darauf müssen wir Rücksicht nehmen. Wobei Chance nicht heißt, dass es nirgends Probleme gibt. Es geht nicht darum, irgendetwas schönzureden.

STANDARD: Wie äußert sich diese Diversitätspolitik konkret?

Wehsely: Ganz wichtig ist, dass alle Dienstleistungen der Stadt Wien, die de jure zugänglich sind, auch de facto für Migrantinnen und Migranten zugänglich sind.

STANDARD: Sie sagen, man soll nichts schönreden. In Wien gibt es laut Verfassungsschutz eine Hand voll radikaler "Hassprediger" in Moscheen. Was sagen Sie als Integrationspolitikerin?

Wehsely: Da geht es nicht um Integrationspolitik. Das ist eine Sicherheitsfrage und Aufgabe für Polizei, Innenministerium, Verfassungsschutz. Wenn aufgehetzt und gegen das Gesetz verstoßen wird, muss eingeschritten werden.

STANDARD: Was ist also mit einem Imam zu tun, der nur die "Gesetze Gottes" anerkennt?

Wehsely: Das müssen Sicherheitsbehörden entscheiden. Politisch halte ich es für wichtig, dass wir die Demokratie mit demokratischen Mitteln verteidigen. Zu Diversitätspo 5. Spalte litik gehört auch, dass ich nicht alles, was ich über andere Kulturen weiß, gut heißen muss. Ich werde etwa gegen Genitalverstümmelung oder Zwangsehen als Integrations- und Frauenstadträtin alles tun, was politisch möglich ist.

STANDARD: Sie fordern eine Zuwanderungskommission für Österreich. Was soll sie leisten?

Wehsely: Wir brauchen einen Paradigmenwechsel. Auf Bundesebene wird gesagt, Österreich ist kein Einwanderungsland. Zugleich heißt es dann, dass zu viele Ausländer da sind. Das ist ein Widerspruch. Selbstverständlich ist Österreich ein Einwanderungsland. Das Missverständnis ist, dass Einwanderungsland nicht bedeutet, dass jede/r, der will, von überall herkommen darf.

STANDARD: Wer soll dürfen?

Wehsely: Das soll die Zuwanderungskommission unemotional klären. Sonst "passiert" Zuwanderung, aber nicht so, wie wir sie eigentlich wollen oder brauchen. Einwanderungsländer wie Kanada oder die USA haben sehr klare, durchaus strenge, aber transparente Zugangskriterien.

STANDARD: Wie würde sich die Frauenpolitik einer Ministerin Sonja Wehsely von jener Maria Rauch-Kallats unterscheiden?

Wehsely: Das ist leicht zu beantworten. Es würde Frauenpolitik geben. In der Frauenpolitik muss man wachsam sein. Wenn man nicht kämpft, verändern sich Dinge zum Schlechten, auch wenn man das für unmöglich gehalten hätte, weil man gemeint hat, sie seien schon Allgemeinwissen und selbstverständlich. Aber nichts ist in der Frauenpolitik selbstverständlich. (DER STANDARD, Printausgabe, 04.08.2005)