"Die Unterrichtsstunde" Ferdinand Georg Waldmüllers von 1837. Die bislang unpublizierte Version erwarb das Liechtenstein Museum vor Kurzem im Kunsthandel.

Foto: Liechtenstein Museum
Dem Liechtenstein Museum eilt der Ruf voraus, wohl jenes mit der derzeit aktivsten Ankaufspolitik in Europa zu sein. Dessen Direktor, Johann Kräftner, im Gespräch: vom Pendlertum in Auktionsmetropolen und Einkaufstouren im europäischen Kunsthandel.


Wien - Nicht immer ist den Erweiterungsbestrebungen der Sammlung prompter Erfolg beschieden, oft entscheiden Zufälle und die in einer langfristigen Strategie festgeschriebene Geduld. Bei den jüngsten Londoner Altmeister-Auktionen Anfang Juli musste der Direktor des Liechtenstein Museums in der Kategorie Gemälde passen. "Die Preise waren regelrecht überhitzt", so Johann Kräftners knappes Fazit. Der Grund? "Die Italiener sind aktiv wie schon lange nicht und an Kunst als Geldanlage besonders interessiert" - etliche der Spitzenzuschläge erteilte man in Richtung der 58-Millionen-Nation. Dafür war man in anderen Kunstgattungen erfolgreicher. "Herrliche Renaissance-Rahmen für vergleichsweise Peanuts", freut er sich diebisch. Der teuerste lag um die 15.000 Pfund, "ein Schnäppchen, sonst können die auch schon 200.000 kosten". Hier waren Kräftner und sein Gemälderestaurator anderen Museen eine Nasenlänge voraus, eine sportliche, gewissermaßen.

Zwei Nächte wurde das Angebot mit dem Liechtenstein'schen Bilderbestand abgeglichen. "Wir sind ja keine Rahmensammler, sondern für uns sind es Kunstwerke, die wir in der praktischen Hängung anwenden wollen", gibt er Einblick. Für eine der bedeutendsten Privatsammlungen der Welt sind höchste künstlerische Qualität und Vielfalt nicht nur im Museums-Leitbild festgeschrieben, sondern auch gelebte Maxime und hauptsächliche Entscheidungsgrundlage für Einkäufe.

Das meiste bekommt der studierte Architekt, seit 2002 Direktor des Liechtenstein Museums in Wien und der Fürstlichen Sammlungen, in Vaduz direkt angeboten, "von hochkarätigen Händlern, privaten Sammlern und Auktionshäusern", wobei Letzteres auch ohne Versteigerungen über die Bühne geht. "Private Treaty" nennt sich das im Auktionatoren-Fachjargon. Rund 20 Prozent der Erwerbungen für die Liechtenstein-Sammlung werden auf diese, für den Verkäufer diskretere Weise, abgewickelt.

Im Gegensatz dazu standen und stehen spektakuläre Momente, wie jener am Nachmittag des 9. 12. 2004, als sich Kräftner bei Christie's in London gegen zwei Saal- und zwei Telefonbieter durchzusetzen wusste. Für umgerechnet 27,2 Mio. Euro sicherte er sich im Namen von Fürst Hans Adam II. das so genannte Badminton-Kabinett, die letzte große Arbeit, die in den Hofwerkstätten der Medici in Florenz entstand, das bislang teuerste Möbel in der Geschichte des Kunstmarktes und "das wichtigste Objekt, das wir jemals erworben haben".

Gibt es eine konkrete, die Ankaufspolitik begleitende Wunschliste? "Ja, die gibt es", versichert Kräftner, "denn wir haben Lücken, so ist die große römische Barockmalerei ebenso wenig vorhanden wie die neapolitanische. Natürlich gibt es einiges im Angebot, aber eben nicht allererste Garnitur, teilweise verrestauriert, verputzt, eben nicht unserem Anspruch den Erhaltungszustand entsprechend".

Irgendwann, in den nächsten fünf bis 20 Jahren wird die Chance auf Realisierung da sein. Im Visier hat man die im Zuge der Verkäufe der Nachkriegszeit entstandenen Lücken so weit wie möglich zu schließen. Ein weiterer wichtiger Aspekt in der Ankaufstrategie ist, durch Zukäufe neue Facetten kunsthistorischer Bezüge des Materials der Sammlung zu beleuchten.

Francesco Hayez' Consiglio alla Vendetta fügt sich perfekt in den Bestand der Bilder seines Freundes Friedrich Ritter von Amerling. Ein Glücksfall, wie Kräftner versichert, denn eigentlich hatte er bei diesem Händler etwas anderes unter die Lupe nehmen wollen. Der Entdeckung eines Fotos folgten die Fahrt zum Besitzer in den Tessin, Besuche in der Mailänder Brera und in der Villa Carlotta am Comer See.

Der Kauf stand am Ende eines längeren Entscheidungsprozesses, "den ich unmöglich vom Schreibtisch aus hätte absolvieren können". 40 Prozent seiner Tätigkeit als Direktor des Liechtenstein Museums ist der kontinuierlichen Erweiterung der Sammlung gewidmet. In den Auktionsmetropolen London und New York fühlt sich Johann Kräftner vor allem in Anbetracht des lockenden Angebotes am wohlsten.

Auf dem heimischen Kunstmarkt reichen die Auktionserwerbungen länger zurück: 2002 sicherte man sich "im kinsky" Ferdinand Georg Waldmüllers Kinderbildnis von Kaiser Franz Joseph als Grenadier (150.000 Euro) und vergangenes Jahr ebendort Josef Danhauers Testamentseröffnung (220.000 Euro).

Besonderes Gewicht wurde in letzter Zeit auf die Porzellansammlung gelegt. Durch den Ankauf der Hauptwerke von Sorgenthal-Porzellan aus der Sammlung Bloch-Bauer im Jahr 2003 und den Erwerb wichtiger Ensembles von Du-Paquier-Porzellan umfassen die Fürstlichen Sammlungen nun einen der bedeutendsten Bestände an Wiener Porzellan.

Eine in der Versteigerung noch der Manufaktur Du Paquier zugesprochene, bei Sotheby's für mehr als 345.000 Euro erworbene Porzellankanne stellt eines der aufregendsten Beispiele frühen Böttger-Porzellans dar. Sie wird im Herbst 2005 der Mittelpunkt einer Ausstellung in Dresden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.8.2005)