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Foto: APA/dpa/Daniel Karmann

Wien - Einen Besucherrückgang von insgesamt 18,3 Prozent verzeichnen die österreichischen Kinos im ersten Halbjahr 2005 verglichen mit den Zahlen vom Vorjahr. Damit liegt Österreich international im Trend. Das Juni-Ergebnis beträgt gar minus 38 Prozent in Österreich. Doch während mancher Kulturkritiker schon das Ende des Kinos heraufdämmern sieht, geben sich heimische Branchenvertreter gelassen. Man schätzt den Einbruch als "normale Marktschwankung" ein, so der Tenor, und rechnet mit einer Trendumkehr in der zweiten Jahreshälfte.

7.354.053 Besucher wurden in den ersten sechs Monaten 2005 in Österreich gezählt, im Vergleichszeitraum 2004 waren es 9.011.914. Lag man nach dem ersten Quartal heuer noch bei minus 8,39 Prozent, so sanken die Zahlen laut Angaben des Fachverbands der Lichtspieltheater und Audiovisionsveranstalter im zweiten Quartal kontinuierlich bis zum bisherigen Jahrestiefpunkt von 906.429 Besuchern im Juni, gegenüber 1.468.835 im Vorjahr.

"Die Leute schauen mehr aufs Geld"

Man müsse allerdings bedenken, dass Österreichs Kinos 2004 das beste Ergebnis seit 20 Jahren erzielt hätten, betont Fachverbands-Obmann Siegfried Schüssler: "Ich denke, wir werden heuer wieder Zahlen wie 2001 oder 2003 erreichen. Die zweite Jahreshälfte ist im Kino in der Regel immer stärker, vielleicht weil die US Majors im Herbst die größeren Filme starten." In Kärnten, wo Schüssler Fachgruppen-Obmann ist, habe der Verkauf im Juli schon stark angezogen. Das Filmangebot sei eben Schwankungen unterworfen. Abgesehen davon hätten aber auch andere Branchen, etwa die Hotellerie oder der Wellnessbereich, derzeit mit Rückgängen um 20 Prozent zu kämpfen. "Die Leute schauen mehr aufs Geld."

Für Christian Langhammer, Geschäftsführer von Constantin Österreich, hat heuer bisher in erster Linie "das Produkt nicht gestimmt. 'Krieg der Welten' oder 'Star Wars' sind nicht so angekommen wie erwartet. Man will diese Aufgüsse von zweiten und dritten Teilen oft nicht mehr sehen. Aber nicht nur die amerikanischen Blockbuster, auch der deutsche Film und die Eigenproduktionen müssen funktionieren. Heuer haben wir kein 'Bully' ("(T)Raumschiff Surprise", Anm.). Aber wenn ein Film wie 'Madagaskar' kommt oder 'Mr. und Mrs. Smith', sind die Kinos wieder gerammelt voll. Ich bin für das restliche Jahr sehr positiv gestimmt. Es kommen große Filme wie 'Narnia' von Buena Vista, Peter Jacksons 'King Kong' oder der neue Harry Potter."

"Das Kino geht nach dem Schweinezyklus"

Neben dem Filmangebot, der allgemeinen Wirtschaftslage und der Wetterabhängigkeit spiele freilich auch die Filmpiraterie und die Konkurrenz durch das insgesamt größere Freizeitangebot und durch DVDs, die in immer kürzeren Abständen nach dem Filmstart auf den Markt kämen, eine Rolle, wie auch Christian Dörfler, Präsident des Verbandes der Wiener Lichtspieltheater, glaubt. Doch auch er ist zuversichtlich "dass der Herbst einen Ausgleich bringt. Im August werden wir mit Filmen wie 'Charlie und die Schokoladenfabrik' und 'Sin City' ein ganz gutes Geschäft machen", erwartet Dörfler. "Das Kino geht nach dem Schweinezyklus. Alle vier, fünf Jahre kommt ein besonders gutes Jahr, und man weiß nicht warum."

Der Zuschauerschwund treffe in gleichem Maß große wie kleine Kinos, Stadt und Land, sind sich die Fachleute einig. Die aktuellen Probleme des Wiener IMAX-Kinos, das man nicht mit anderen Kinos vergleichen könne, hätten allerdings einen anderen Hintergrund, meint Schüssler: "Wenn ich bei einer Jahresmiete von über einer Million Euro und einem Saal mit 480 Sitzplätzen 50 Mitarbeiter beschäftige, kann sich das nicht ausgehen."

In jedem Fall aber wird angesichts rückläufiger Besucherzahlen der Verteilungskampf noch härter. Die Constantin-Gruppe, die österreichweit 14 Großkinos und elf traditionelle Standorte betreibt, hat in Wien einige Säle und Foyers mit 6.500 Quadratmetern Fläche an die Soravia-Gruppe abgegeben, die im Herbst neben dem Kino die Kindererlebniswelt Kids Town eröffnet. Wenn am 1. September Richard Lugner seine "Lugner Kino City" mit 1.840 Sitzplätzen eröffnet, rechnet die Branche mit einer "weiteren Umverteilung der Besucher." Dörfler: "Da werden schon einige Kinos Probleme kriegen."

Blockbuster und nationale Größen

Als wichtigster internationaler Faktor für die Rückgänge gilt angesichts der starken Abhängigkeit von US-Blockbustern (2003 lag der EU-weite Marktanteil amerikanischer Filme laut der Audiovisuellen Informationsstelle des Europarats bei 71,3 Prozent) der amerikanische Markt, der gegenwärtig nach Angaben des Marktforschungsinstituts Nielsen EDI mit einem Umsatzrückgang von 7,2 Prozent kämpft.

Deutschland muss im ersten Halbjahr 2005 Einbußen von 17 Prozent (elf Mio. Besucher weniger) im Vergleich zum Vorjahr hinnehmen, kann sich laut Nielsen EDI aber immerhin über ein Besucherplus für heimische Produktionen in Höhe von elf Prozent freuen. Besonderen Anteil daran hatten Kinderfilme wie "Die Wilden Kerle 2" oder "Felix "Ein Hase auf Weltreise", aber auch "Barfuss" und "Sophie Scholl".

Auch Frankreich laboriert laut Nielsen EDI an einem Besucherschwund von 16,9 Prozent, Spanien verzeichnet einen Publikums-Rückgang von 12,2 Prozent (Umsatzminus von 8,6 Prozent). Großbritannien steht mit einem Umsatzminus von 3,2 Prozent noch relativ gut da, verglichen mit Deutschland (minus 16,4 Prozent Umsatz) und Österreich (minus 16,3 Prozent Umsatz).

Die US-Besucherzahlen sinken schon seit drei Jahren. 2003 betrug das Minus vier Prozent, im Vorjahr zwei Prozent. Am verlängerten Wochenende rund um den Unabhängigkeitstag Anfang Juli brachen die Besucherzahlen gar um 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ein. Und das trotz Steven Spielbergs "Krieg der Welten", dessen weltweites Einspielergebnis vergangenes Wochenende die 500 Mio. Dollar-Schwelle überschritten hat.

Zweischneidiger Faktor DVD

Experten sehen hinter dieser Entwicklung Strukturprobleme. Vor allem die DVD dürfte demnach die Unterhaltungsindustrie maßgeblich verändern, wobei sich ein Teufelskreis abzeichnet: Einerseits saniert sich Hollywood mit DVD-Verkäufen, die mittlerweile zwei bis drei Mal so viel wie Kinobesuche einbringen, und steckt angesichts hoher Umsatzerwartungen durch DVDs immer mehr Geld in Blockbuster. Dadurch wird das Filmangebot immer kleiner und das wirtschaftliche Risiko immer größer.

Zugleich bootet man den Kinobetrieb dadurch aus, dass DVDs mittlerweile schon drei, vier Monate nach Kinostart auf den Markt geworfen werfen, um noch die Marketingkampagne für den Filmstart auszunutzen und Videopiraten zu überholen. Die Einschätzung dieser Entwicklung ist allerdings recht unterschiedlich. So glaubt Steven Soderbergh, der seine nächsten sechs Filme parallel im Kino, auf DVD und im TV herausbringen will, dass gerade kleine, sperrige Streifen, die im Kino keine Chance hätten, vom DVD-Boom profitieren würden.

Der Österreicher geht übrigens durchschnittlich zwei Mal pro Jahr ins Kino, der Amerikaner fünf Mal. Noch hat der heimische Kinomarkt also durchaus noch Entwicklungspotenzial.

(APA)