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Stella McCartney, die sich nur langsam vom "Tochter-Image" lösen konnte.
Foto: APA/epa/West
Berühmte Tochter, glamouröse Freundin und neuerdings auch Mutter: Stella McCartney ist der Darling der Fashionszene. Adidas bringt gerade ihre Sportlinie in die Läden, im Herbst designt McCartney eine Masstige-Kollektion für H&M. Ein Porträt aus aktuellem Anlass von Stephan Hilpold


Ein Countrygirl, eine Partygöre, ein Klatschspaltenwesen. Es sind nicht wenige Zuschreibungen, mit denen Stella McCartney zu kämpfen hat. Tochter berühmter Eltern, der von Anfang an alles in den Schoß gelegt wurde, Freundin illustrer Showbizgrößen, die ihr bei der Karriere gehörig unter die Arme griffen. Eine Gegnerin von Leder und Pelz, weswegen die Tierschützerin nicht wenige Angebote von renommierten Modelabels ausschlug. Die Öffentlichkeit, zumal die britische, weiß mehr über McCartney als diese manchmal selbst. Als sie im Februar dieses Jahres erstmals Mutter wurde, war das nicht nur den englischen Gazetten größere Artikel wert. Nur mit einer Info rückten McCartney und Ehemann und Publizist Alasdhair Willis damals nicht heraus: Warum nur heißt der gemeinsame Sohn mit Vornamen Miller?

Die süße Rache einer öffentlichen Person. Für das Modegeschäft sind die Publicity der jüngsten Tochter von Ex-Beatle Paul McCartney und Linda allerdings ideale Voraussetzungen. Während andere Labels Millionen in PR und Anzeigen stecken, trumpft Stella mit ihrem Namen auf: 1997, als McCartney mit zarten 25 und nach nur zwei kleinen, eigenständigen Kollektionen aus dem Nichts zur Designchefin von Chloé aufstieg, ging ein Publicity-Sturm durch die Mode- - und noch wichtiger - durch die Lifestylewelt, als sie im April 2001 ihr eigenes Label gründete detto. Derzeit setzt Adidas mit der von der Designerin gestalteten Sportlinie (deren zweite Kollektion in wenigen Wochen in ausgesuchte Läden kommt) ganz auf den illustren Namen. Im November wird es H&M sein.

Nach Karl Lagerfeld, der im vergangenen Herbst für den Modediskonter eine eigene Linie kreierte, ist jetzt also Stella McCartney dran. Bereits das zeigt, welcher Popularität sich die inzwischen 34-Jährige sicher sein kann. "Konsumentenbefragungen", meinte H&M-Designchefin Margareta van den Bosch, als die Zusammenarbeit bekannt gegeben wurde, "bestätigten den starken Appeal ihrer Marke." Und damit war wohl weit mehr als nur das Label "Stella McCartney" gemeint.

Dem geht es derzeit nämlich nicht gerade gut: Nachdem ihre eigene Linie - Damenmode, Accessoires, Parfüm und Brillen - allein in den ersten zwei Jahren einen Verlust von elf Millionen Euro einfuhr, setzte die Gucci-Gruppe (zu der das Label gehört) der Designerin eine Frist bis 2007, um schwarze Zahlen zu schreiben. Die Kooperation mit H&M stellt sich denn vor diesem Hintergrund als ausgeklügelte Strategie von beiden Seiten dar: Auch Stella bedarf derzeit einer massiven Presse. Erinnert man sich, mit welcher Inszenierungswut Karl Lagerfeld im vergangenen Jahr in Szene gesetzt wurde, dann wird sie die auch kriegen. Die Mode war schon damals zweitrangig, und um sie wird es auch diesmal nicht gehen.

Das ist schade. Es gibt wohl kaum jemanden in der elitären Welt der Couture, dessen Kreationen mit dem breiten Geschmack, wie ihn H&M bedient, kompatibler sind. Stella McCartney schneiderte immer für Mädels, wie sie selbst eines ist: Tragbar müssen ihre Sachen sein, feminin und sexy. Konventionen interessieren sie weniger, ihr Mix an Materialien ist legendär. Erotische Tops kombinierte sie zu maskulin geschnittenen Anzügen und kreierte damit mehr als einen Trend für eine Saison.

Stilvorbild ist immer wieder ihre Mutter, die wegen ihres Kleidergeschmacks öfters angefeindete als bewunderte Linda McCartney: "Alles, was sie in ihrem Kleiderschrank hatte, taucht irgendwann wieder bei mir auf", verriet sie einmal einer Journalistin: "Ihre Vorliebe für Vintage-Kleider, abgetragene Jeans, Norwegerpullis oder Couture von Yves Saint Laurent." Nur auf die Socken, die Linda und Paul so gerne trugen, auf die verzichtet Stella gerne. Auch nach beinahe zehn Jahren im Designbusiness wird McCartney das Tochterimage nicht los. Als die Absolventin des renommierten Londoner Saint Martins College of Art und Design als Nachfolgerin von Karl Lagerfeld (er schmähte sie damals als gute T-Shirt-Designerin) zu Chloé ging, war dies wohl ausschließlich ihrem Namen geschuldet. Bei ihrer Abschlussshow am College hatten Kate Moss und Naomi Campbell gemodelt. Bei ihrer ersten Show saß der Vater samt Biz-Prominenz in der ersten Reihe. Dass sie in den Jahren bei Chloé den Umsatz des Hauses um ein Vielfaches steigerte, hatten ihr die wenigsten zugetraut.

Immer wieder wurden Gerüchte laut, dass Stellas Freundin aus Collegetagen, mit der sie zusammen nach Paris ging, dass Phoebe Philo hinter dem Erfolg steckte. Die erste Kollektion unter eigenem Namen und ohne Philo - sie fand ausgerechnet kurz nach den Terroranschlägen im September 2001 statt - nährte diese Vermutung. Die Kollektion ein halbes Jahr später machte die Schlappe wieder wett.

Trotz prominenter Flagshipstores in London, Manhattan und L.A. hat sich das Label bis heute (zumindest finanziell) nicht durchgesetzt. Zusammen mit Alexander McQueen und Balenciaga ist Stella McCartney das Sorgenkind bei Gucci. Die Zusammenarbeit mit Adidas verlief da schon glücklicher: Nicht Streetwear kreiert Stella für den Konzern aus Herzogenaurach, sondern Sportbekleidung im klassischen Sinn. Gedacht für Frauen, die auch beim Sport gut aussehen wollen.

Der Run auf die erste, in nur 300 Läden zu habende Kollektion war gewaltig - wohl auch ein Grund, warum H&M die Kooperation mit der britischen Designerin einging. Auch Glamourgirls müssen letztlich Kasse machen. Wie gut, dass ihnen ihr Name dabei hilft. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, Rondo, 5.8. 2005)

"Adidas by Stella McCartney" ist in ausgewählten Intersport-Filialen ab Ende August erhältlich, die 40-teilige H&M-Kollektion ab November.