Wien - Die Zweite Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) wirft der Regierung vor, die hohe Arbeitslosigkeit "fast heraufbeschworen" zu haben. Eindeutige Begünstigungen habe es nur für bestimmte Zielgruppen wie die Unternehmen gegeben. Von einem Kombilohn-Modell zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hält die SP-Vize nichts. Erstrangig seien Investitionen in die Qualifizierung sowohl von beschäftigten als auch von arbeitslosen Menschen - aber vor allem für Frauen, sagte Prammer im APA-Interview.

Was den Kombilohn betrifft, meinte die SPÖ-Politikerin, "es geht nicht in erster Linie darum, wie beschäftige ich Arbeitslose, sondern wie bringe ich Arbeitslose aus der Arbeitslosigkeit heraus. Und zwar auf Dauer." Die Maßnahmen der Regierung seien bisher nicht darauf ausgerichtet gewesen, Arbeitslosigkeit zu verringern.

Die hohe Arbeitslosenquote älterer Arbeitnehmerinnen ist für Prammer ein Beweis dafür, wie wesentlich der Kündigungsschutz gerade in diesem Alter sei. "Es muss auch eine gesellschaftliche Übereinstimmung geben, dass Derartiges (die Entlassung Älterer, Anm.) nicht vorkommt. Ich halte sehr viel davon, Unternehmen auf der einen Seite zu loben, wenn sie ältere Arbeitnehmer beschäftigen, auf der anderen Seite scheue ich mich nicht davor, Unternehmen auch zu benennen, wenn sie das Gegenteil davon tun".

Asylgesetz: Ursprünglicher Entwurf eine Katastrophe

Beim von der SPÖ mit beschlossenen Fremden- und Asylpaket der Regierung verteidigt die Zweite Nationalratspräsidentin die Haltung ihrer Partei. "Mir wurde im Klub glaubhaft versichert, dass das gesamte Fremdenpaket gänzlich anders ausschauen würde, wenn die SPÖ nicht verhandelt hätte. Der ursprüngliche Entwurf von der Regierung war wirklich eine Katastrophe. Dass nicht alles so ausgegangen ist, wie ich es mir wünsche, ist auch amtlich."

Prammer warnt jedenfalls die ÖVP: "Was mich wirklich schockieren würde, wenn durch die Hintertüre wieder Dinge über eine einfachgesetzliche 'Reparatur' durch die Regierungsparteien hineinkommen. Ich würde dann der ÖVP massiv vorwerfen, eine Oppositionspartei missbraucht zu haben".

Bei umstrittenen Punkten wie der nun möglichen Abschiebung von traumatisierten Flüchtlingen - wenn medizinisch verantwortbar - wartet Prammer einmal ab, wie das Gesetz tatsächlich angewendet wird. "Wer sich ein bisschen mit Traumatisierung auskennt, weiß, dass das über Jahre andauert. Wenn ich von dem ausgehe, kann es de facto keine Abschiebung geben. Wenn dann anders gehandelt werden würde, würde meines Erachtens das Gesetz gebeugt und die Menschenrechtskonvention verletzt", zeigte sich die SPÖ-Politikerin überzeugt.

Prammer ist grundsätzlich verärgert darüber, dass eigentlich die ÖVP ungeschoren davon kam: "Mir macht viel mehr zu schaffen, wie es das geben kann, dass eine so genannte christlich-soziale Partei nicht eine Sekunde darüber diskutiert hat". Die SPÖ hätte sich hingegen sehr ausführlich mit dieser "heiklen Gesetzesmaterie" beschäftigt: "Wir sind eine Partei, der die Tragweite solcher Fragen sehr wohl bewusst ist." (APA)