Spät, aber doch beendet Eva Glawischnig den Bauchfrei-Mythos. Denn eigentlich, sagt sie, habe sie gar nicht bauchfrei geheiratet. In der Kirche hatte sie nämlich ein Cape an.

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Wien - Die Vizechefin der Grünen, Eva Glawischnig, kann sich nicht vorstellen, dass die Grünen eine Koalition mit der ÖVP eingehen, der auch Bildungsministerin Elisabeth Gehrer oder Finanzminister Karl-Heinz Grasser angehören. Dafür erhebt sie Anspruch auf das Bildungsressort. Zwar werden die Koalitionsbedingungen erst nach den Wahlen verhandelt, aber dieser Bereich sei für die Grünen "sicher interessant". Gehrer ist für sie inhaltlich die "Versagerin der Regierung". Die Gesprächsbasis mit der SPÖ sei derzeit angenehmer als mit der ÖVP.

Mit Eva Glawischnig sprach Barbara Tóth.


STANDARD: Frau Glawischnig, Sie vermeiden konsequent zu sagen, ob die Grünen lieber mit der ÖVP oder der SPÖ zusammenarbeiten wollen. Die einzige Koalitionsbedingung lautet: Mit Grasser nicht. Ist das nicht ein wenig dürftig?

Glawischnig: Nur weil wir Koalitionsbedingungen erst dann festlegen, wenn sie festzulegen sind, nämlich nach einer Wahl und in der Partei, heißt das nicht, dass es keine gibt. Die letzten Verhandlungen scheiterten an knallhart inhaltlichen Fragen und nicht daran, dass wir Posten nicht bekommen hätten.

STANDARD: Dann nennen Sie bitte drei.

Glawischnig: Jedenfalls der Bildungsbereich. Ministerin Gehrer hat die letzten drei Jahre nur blockiert.

STANDARD: Also wie bei Grasser: mit Gehrer nicht?

Glawischnig: Ich weiß nicht, wie ihre Zukunftsplanung ausschaut. Mit dieser Politik sicher nicht. Gegen Grasser haben wir nicht nur wegen seiner inhaltlichen, klassisch neoliberalen Orientierung Misstrauensanträge eingebracht, sondern wegen seiner Unfähigkeit, zwischen Persönlichem und Privatem zu unterscheiden. Das ist eine persönliche Verfehlung.

STANDARD: Sehen Sie eine solche auch bei Gehrer?

Glawischnig: Sie ist sachpolitisch absolut gescheitert. Inhaltlich ist sie die Versagerin in der Regierung.

STANDARD: Erheben Sie damit Anspruch auf das Bildungsministerium?

Glawischnig: Warum nicht? Das Bildungsressort wäre sicher interessant. Aber nochmals: Zuerst entscheiden die Wähler, dann gibt es vielleicht Verhandlungen. Die Bedingungen werden zum gegebenen Zeitpunkt festgelegt, die Frage der Ressorts ebenso.

STANDARD: Fehlen noch zwei Koalitionsbedingungen.

Glawischnig: Mein Ziel ist, dass die Grünen so stark werden, dass wir einen Kurswechsel erzwingen können. Wir brauchen eine Wählerrückendeckung für unsere Positionen bei Frauenpolitik, Umweltschutz, sozialem Ausgleich. Ich lasse mich 16 Monate vor einer Wahl nicht dafür geißeln, dass es keine Koalitionsbedingungen gäbe.

STANDARD: Es ist legitim, dass die Wähler rechtzeitig vor der Wahl wissen wollen: Wer und was kommt mit den Grünen?

Glawischnig: Ich würde mir wünschen, dass ÖVP und SPÖ auch diese Fragen gestellt bekommen. Ich wehre mich auch dagegen, dass die Grünen immer Rot oder Schwarz zugeteilt werden. Es gibt eine ganze Generation von Menschen, die immer grün gewählt hat, die will nirgends dazugerechnet werden.

STANDARD: Umgekehrt gefragt: Was sind die drei Maßnahmen, die die Grünen in der Regierung sofort umsetzen würden?

Glawischnig: Wir würden in den ersten hundert Tagen keinen Schnelligkeitswettbewerb veranstalten. Ich würde die Grundsicherung angehen, eine neue Steuerreform - und für Frauen-, Jugend- und Umwelt möglichst bald ein wirksames Paket schnüren.

STANDARD: Das sind zeitintensive Reformwerke. Müssen die Grünen nicht schnell gesellschaftspolitische Signale setzen, etwa mit der Homo-Ehe?

Glawischnig: Wir haben ein fix fertiges Konzept, den Zivilpakt. Das ist juristisch ausgefeilt. Auch das wäre vielleicht eine Koalitionsbedingung.

STANDARD: Warum vielleicht? Ist diese Nichtfestlegung nicht genau das, was die Grünen bei den Altparteien immer kritisieren?

Glawischnig: Es ist ein Spiel der Journalisten, sich auf das Wort Koalitionsbedingung zu fixieren. Ich kann nur sagen: Wir werden kämpfen - und aufstehen, wenn die Bedingungen nicht passen. Wie beim letzten Mal.

STANDARD: Über die Koalition entscheidet der Bundeskongress. Was ist für Sie die Mindestzustimmung?

Glawischnig: Wenn ich ein Koalitionspaket guten Gewissens verteidigen kann - mit einem schönem Wiedereinstiegspaket für Frauen, einer deutlicher Reduktion der Luftschadstoffe im Umweltbereich, einer Grundsicherung, ohne Abfangjäger, einem Uni-Paket -, ist für mich eine einfache Mehrheit ausreichend.

STANDARD: Ist Rot-Grün nicht die logische Alternative zu Schwarz-Blau-Orange?

Glawischnig: Momentan zeichnet sich die große Koalition ab. Das zeigt die rot-schwarze Zusammenarbeit bei Zivildienst, Asyl- und Schulpaket.

STANDARD: Dann frage ich so: Wo sehen Sie größere inhaltliche Übereinstimmungen - bei der SPÖ oder bei der ÖVP?

Glawischnig: Bei der SPÖ stärker - weil wir gemeinsam in Opposition sind. Aber das Asylpaket hat wieder alte Gräben aufgerissen - etwa in der Menschenrechtsfrage.

STANDARD: Wie nahe sind Sie umgekehrt an der ÖVP, die Ihnen rund um die Aufdeckung des "Wahlkampfknigges" Stasi-Methoden vorwarf?

Glawischnig: Wenn solche Methoden im nächsten Wahlkampf wieder eingesetzt werden, ist die Stimmung und die Bereitschaft zu reden sicher deutlich reduziert. Diffamierung als politisches Mittel kann ich nicht ausstehen.

STANDARD: Ist die SPÖ da angenehmer?

Glawischnig: Absolut. Die ÖVP unter Lopatka hat da einen neuen, schlechten Stil eingeführt.

STANDARD: Wenn man jemanden fragt, was ist in letzter Zeit von Ihnen hängen geblieben, ist die Chance, die Antwort "bauchfrei" zu erhalten, relativ groß. Wie sehen Sie die Debatte im Nachhinein?

Glawischnig: Ich glaube, dass das eine interessante Diskussion war, weil wieder einmal deutlich geworden ist, wie es vielen Frauen im Beruf geht: Sie werden auf Äußerlichkeiten reduziert und müssen doppelt so kompetent sein. Ich bin durch die Hochzeit nicht inkompetenter geworden, habe mein Doktorat nicht am Standesamt abgegeben und auch nicht weniger gearbeitet.

STANDARD: Aber die Grünen haben immer schon Politik über persönliche Inszenierung und Aktionismus gemacht. Ist es nicht legitim, wenn die Medien diese Aspekte dann auch bewerten?

Glawischnig: Aktionismus heißt, Inhalte mit Bildern zu verdeutlichen. Ich akzeptiere auch, dass es legitim ist, dass man das Äußere, das Styling von Menschen in der Politik kritisiert und bewertet. Ich finde dennoch das Phänomen bemerkenswert, dass das bei Frauen sehr viel stärker ist als bei Männern.

STANDARD: Aber haben Sie den Medien nicht selber den kleinen Finger gereicht, indem Sie sich mit Ihrer besten Freundin oder beim Skaten haben ablichten lassen?

Glawischnig: Frauennetworking oder Skaterdemos haben einen politischen Hintergrund. Was die Hochzeit betrifft: Ich wollte, dass respektiert wird, dass ich privat heirate. Sich über das Brautkleid aufzuregen, das habe ich nicht verstanden. Das ist wirklich meine ganz persönliche Entscheidung.

STANDARD: Aber wenn Sie bauchfrei heiraten - und das ist nun einmal ungewöhnlich - müssen Sie doch damit rechnen, dass das medial zum Thema wird? Glawischnig: Was ist daran so ungewöhnlich? Viele Frauen gehen bauchfrei im Sommer. Außerdem: Ich habe gar nicht bauchfrei geheiratet. Ich hatte in der Kirche ein Cape an. Aber meinetwegen soll der Mythos weiter bestehen. (DER STANDARD, Printausgabe, 08.08.2005)