Paris - Nach Einschätzung des zeitgenössischen Komponisten Karlheinz Stockhausen (76) ist noch keine neue musikalische Ära angebrochen. "Bedauerlich, dass heutzutage viele Musiker nicht in der Lage sind, eigene Werke zu schaffen", sagte der Komponist der französischen Tageszeitung "Le Monde" (Dienstagsausgabe).

Mittels neuer Technik sei es möglich, beliebige "Re-Mixe" (Neumischungen) musikalischer Werke zu schaffen. Biele Musiker bedienten sich existierender Werke, "um sie angeblich neu zu arrangieren. Doch im Grunde verwandeln sie sie nur", sagte Stockhausen, der das Gespräch in seinem Wohnhaus in Kürten bei Köln führte.

Ende einer großen Epoche

Diese Tendenz sei "ein Zeichen, dass wir das Ende einer großen Epoche erleben. Wir leben noch nicht in einer neuen Ära, in der Komponisten die Mittel ihrer Zeit in kreativer Weise einsetzen können", sagte Stockhausen, der als einer der wichtigsten Avantgarde-Komponisten des 20. Jahrhunderts gilt.

Auch seine Musik sei beeinflusst von den technischen Neuerungen seiner Generation. "Ich wurde in der Anfangszeit der elektroakustischen Technologie geboren. Damals eröffnete sich mir eine neue Ära mit Geräten, die Klänge erschaffen, verwandeln und miteinander verbinden konnten". Wäre er früher als 1928 geboren worden, hätte er diese Entwicklungen nicht nutzen können. "Das sehe ich an älteren Kollegen wie György Ligeti und Pierre Boulez, die sehr viel mehr bei einer traditionellen Kompositionsweise geblieben sind".

Im vergangenen Jahr war der letzte Teil von Stockhausens Mammutwerk "Licht" bei den Donaueschinger Musiktagen uraufgeführt worden. Der "Licht"-Zyklus gilt als sein musikalisches Lebenswerk und wird sogar mit Richard Wagners "Ring" verglichen. Seit 1977 hat Stockhausen an dem siebenteiligen Zyklus gearbeitet, dessen erster Teil vor 24 Jahren uraufgeführt wurde. (APA/dpa)