Wien - Parodontitis, die Entzündung des Zahnhalteapparates, kann langfristig schwerwiegende Folgen für die Gesundheit haben, die weit über Kiefererkrankungen und den Zahnverlust hinausreichen. "Eine Studie mit Schwangeren zeigt eine enge Assoziation zwischen Parodontitis und Frühgeburten mit vermindertem Geburtsgewicht, auch unter Ausschluss von anderen Risikofaktoren", berichtete der Wiener Zahnmediziner Wilhelm Schein in der Österreichischen Ärztewoche . Gefäßverengungen Das sei zwar sehr pointiert ausgedrückt, erklärt Michael Matejka, Experte für Parodontologie an der Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Uni Wien, doch grundsätzlich stimme er mit den Aussagen seines Kollegen überein. "Entzündliche Prozesse im Mundraum lassen das Risiko von Allgemeinerkrankungen stark ansteigen", so Matejka, besonders deutliche Hinweise gebe es für ein höheres Risiko von kardiovaskulären Erkrankungen wie etwa Entzündungen des Herzmuskels und der Herzklappen, aber auch Zusammenhänge mit arteriosklerotischen Veränderungen werden diskutiert. "Und es gibt Hinweise, dass Schwangere sich vor Entzündungen des Zahnfleisches und des Zahnhalteapparates hüten müssen", sagt Matejka. "Diese Patientinnen haben ein erhöhtes Abortus- und Frühgeburtsrisiko und gebären öfter Kinder mit einem geringerem Geburtsgewicht." Die Entzündungsherde im Mundraum sind Produktionsstätten für vielerlei Giftstoffe, die über den Blutstrom auch an die Plazenta herankommen und dort die Produktion von Wehen auslösenden Substanzen provozieren könnten, erklärt Wilhelm Schein. Entzündungsherde könnten aber auch Botenstoffe bilden, die auf den Fötus wie Giftstoffe wirken. Studien mit trächtigen Hamstern etwa hätten gezeigt, dass lokale Infektionen wie die Parodontitis zu Frühgeburten führen und das Geburtsgewicht um ein Viertel sinke, erklärt Schein. Abwehrschwächung Dass die Parodontitis derart weitreichende Folgen haben könnte, ist für den Verfechter einer ganzheitlichen Zahnmedizin keine Überraschung. "Wenn alle Zähne an Parodontitis erkrankt sind, entspricht das einer Wundfläche von über siebzig Quadratzentimetern", und eine Wunde dieser Größe stelle nun einmal eine gewaltige Dauerbelastung für das Immunsystem dar. Die Behandlung der Erkrankung müsse interdisziplinär erfolgen, fordern sowohl Schein als auch Matejka. "Auch Allgemeinmediziner müssen die Patienten darauf hinweisen, dass die Parodontitis zu einer folgenschweren Krankheit werden kann und behandelt werden muss." Die Behandlung selbst sei aber Aufgabe des Zahnarztes. Dieser spürt zuerst, eventuell mittels Röntgen, die Entzündungsherde auf. Schließlich entfernt er den Zahnstein und säubert die Zahnfleischtaschen, in denen sich Plaquereste sammeln. "Besonders wichtig ist es, dass der Zahnarzt auch unter dem Zahnfleisch nach Ablagerungen sucht", sagt Matejka. Fallweise muss die Zahnwurzel mit Spezialwerkzeugen geglättet werden, sodass sich das Zahnfleisch wieder anlegt. In sehr schweren Fällen kann auch eine Behandlung mit Antibiotika erforderlich sein, um den Entzündungen die Grundlage zu entziehen. Die beste Behandlung sei jedoch die Vorbeugung, nämlich gründliches Zähneputzen und regelmäßige Zahnarztbesuche, sowie das Achten auf die ersten Alarmzeichen, sagt Matejka. Denn in Sachen Parodontitis dürfe auch den Sprüchen der Zahnpastawerbung geglaubt werden: "Gesundes Zahnfleisch blutet nicht." (hu)