Foto: Christian Fischer
Will Oldham alias Bonnie "Prince" Billie gilt als einer der inspiriertesten Songwriter der Gegenwart. Am Donnerstag gastierte der US-Amerikaner in Wien und bestätigte mit ein paar Abstrichen seinen Ruf als schrulliges Genie.


Wien – Während Will Oldham sich auf der Bühne sein Achselzwicker-T-Shirt endgültig nass schwitzte und sich auch der ausverkaufte Saal langsam in ein Feuchtbiotop verwandelte, konnte man bei einem Gang an die Bar etwas Backstage-Klatsch erfahren. Immerhin gilt Will Oldham, der am Donnerstag im WUK als Bonnie "Prince" Billie gastierte, als wunderliche Erscheinung im Popbusiness.

Der früherer Kinderfilmdarsteller, der heute optisch irgendwo zwischen Kaiser Franz Joseph und einem Küchengehilfen beim Branntweiner rangiert, gilt als einer der begnadetsten Songwriter unserer Tage. Eine Ansicht, die Oberligisten wie Nick Cave oder die Björk ebenso teilen wie zu seinen Lebzeiten Johnny Cash, der mit Oldham einst dessen Jahrhundertballade "I See A Darkness "im Duett gesungen hat.

Im Foyer erfuhr man, wie der Exzentriker sich auf seinen ambivalent ausgefallenen Auftritt in Wien vorbereitet hatte: Gar nicht. Zumindest nicht musikalisch betrachtet. Er versorgte seine aktuelle Tourband lediglich mit ein paar Noten des gebotenen Programms, meinte, das dürfte alles kein Problem darstellen – und verfügte sich.

Der Prinz bei Tichy

Während die Jungspunde ein wenig üben mussten, setzte sich Oldham auf sein mitgebrachtes Klappfahrrad und trat, mit etwa einer halben Flasche Jim Beam im Tank, Richtung Favoriten, um sich dort, im Eissalon Tichy, eine süße Bombe zu genehmigen. Den Rest der Zeit bis zum Auftritt verbrachte er dann in faulem Schlummer. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Allzu ausgeschlafen erschien sein Auftritt später jedoch nicht. Immerhin war am Abend auch die zweite Hälfte des erwähnten Treibstoffs verinnerlicht, und Oldham bemühte sich und seine vierköpfige Band in die ersten Stücke: Zäh vor sich hin mäandernde Brocken waren das, die an ihren Enden zerbröselten wie Omas Streuselkuchen.

Damit entsprach der abwechselnd Gitarre und Keyboard spielende Prinz zwar seinem schrulligen Ruf ebenso wie Teilen seines umfangreichen Gesamtwerks. Darin tauchen immer wieder Balladen auf, die Oldham musikalisch nur grob skizziert, ihnen Luft und Platz für Entfaltungsmöglichkeiten bietet.

Angesiedelt sind diese in einer von allen Konventionen losgelösten Country-Music, in der rudimentäre Charakteristika aus Folk, Rock, Kinderliedern und Blues auftauchen und die inhaltlich von sensiblen Innenansichten bis zu groben Schweinigeleien reichen: "You Have Come In Your Hair And Your Dick Is Hangig Out" – um einen drastisch ausgefallenen Songtitel anzuführen. Im Konzert erschienen diese Stücke reichlich willkürlich und nahmen immer wieder etwas Spannung und Stimmung aus der Darbietung. Lustig anzusehen war die seltsame Gebärdensprache des noch nicht Vierzigjährigen, mit denen er seine Songs begleitete. Auch Spaß schafft Atmosphäre. Trotzdem litt die Darbietung an fehlender Überzeugungskraft. Dazu kamen relativ viele Stück seines aktuellen Albums Superwolf, das nicht zu seinen besten zählt.

Infizierend wirkte dagegen die Darbietung des erwähnten "I See A Darkness" – auch wenn die Dunkelheit des Herzens hier eher als zarte Unterbelichtung ihres Vortragenden erschien. Souveräner fiel da die Mekons-Coverversion Horses aus, in der Matt Sweeney seine Gitarre heulen ließ. Ansonsten hinterließ dieser seltsame Mann einen etwas zerrissenen Eindruck. Dem Genie wird das natürlich nachgesehen: "Mag ein Eis!" Aber sicher. (DER STANDARD, Printausgabe vom 13./14./15.8.2005)