Grafik: STANDARD/Statistik Austria
7,5 Prozent der österreichischen Wirtschaftsleistung werden für Gesundheit ausgegeben – gut 17 Milliarden Euro. Die Ausgaben wachsen – aber die Ansprüche noch stärker. Längst können nicht mehr alle Patienten optimal versorgt werden.

„Der Arzt wird zum Rationierer“, gibt Erwin Rasinger, selber Arzt und Gesundheitssprecher der ÖVP zu. Und nennt das Beispiel Visodyne – ein Medikament, das gegen die Macula-Degeneration wirkt, die bei alten Menschen zur Erblindung in der Mitte des Gesichtsfeldes führt. Das teure Präparat wird in einigen Spitälern nur zurückhaltend bewilligt – noch immer kann es nicht von niedergelassenen Ärzten verschrieben werden.

Beschwichtigung

Im Gesundheitsministerium, das in den letzten Tagen mit dem Vorwurf konfrontiert war, dass etwa am Wiener AKH eine optimale Krebstherapie nicht mehr gewährleistet wäre, wird beschwichtigt: „Das Wichtigste ist, dass jeder Patient alles bekommt, und wenn das nicht der Fall wäre, wären wir aufgerufen, der Sache nachzugehen“, versichert Robert Schlögl, stellvertretender Leiter der Sektion III im Gesundheitsministerium.

Vom Wiener Krankenanstaltenverbund wird bestritten, dass es einen Finanzkollaps gebe – und versichert: „Es wird sicher keinem Patienten eine Behandlung aus Kostengründen verweigert.“ Schlögl meint, die finanziellen Engpässe in Wien lägen einfach an einer „zu wenig weitsichtigen“ Budgetplanung.

Stimmt nicht, kontert der SPÖ-Gesundheitssprecher Manfred Lackner und fordert von der Gesundheitsministerin, sich umgehend mit den Ländern zusammensetzen, „um die Finanzierung der bestmöglichen Krebstherapie für alle Patienten in Österreich sicherzustellen“. Was das konkret heißen soll? Lackner redet im Gespräch mit dem Standard nicht lange herum: „Ohne frisches Geld wird die Qualität des Gesundheitswesens nicht aufrechtzuerhalten sein.“ Und frisches Geld könne nach seiner Lesart (die einer langjährigen Haltung der SPÖ entspricht) nur durch höhere Krankenversicherungsbeiträge hereinkommen.

Ein Prozentpunkt

Lackner: „Der Wiener Bürgermeister hat ja schon angedeutet, dass es um eine Größenordnung von einem Prozentpunkt geht. Ich kenne kaum mehr jemanden, der sich einer Beitragserhöhung verschließen würde.“ Da kennt Lackner sein ÖVPGegenüber offenbar schlecht. Rasinger predigt im Standard- Gespräch zwar zunächst „sparen, sparen, sparen“, bekennt sich dann aber zu einer Finanzierung über Steuern: „Gesundheit ist eine Solidaraufgabe, das muss geleistet werden“ – und zwar vom Staat: „Der Weg über Beiträge ist weit gehend ausgereizt, weil sich das auf die Lohnnebenkosten niederschlägt.“

Ohnehin sei das österreichische Gesundheitssystem eines der besten der Welt, versichert Rasinger – aber damit das auch so bleibe, dürfte man sich nicht täuschen: „Es wird teurer. Aber dafür haben wir eben auch den Fortschritt pur – es gab noch nie so wirksame Medikamente wie jetzt.“ Und die Entwicklung geht weiter, sowohl bei den Kosten als auch bei den Therapieerfolgen: „Für einen 65-Jährigen werden rund fünfmal so viele rezeptpflichtige Medikamente verschrieben wie für einen 25- Jährigen.

Die Tatsache des stetigen Ansteigens der Lebenserwartung führt zwangsläufig auch zu einem überproportionalen Bedarf an neuen, innovativen Medikamenten“, heißt es dazu in dem aktuellen Buch „Wirtschaftsfaktor Brustkrebs“ (Springer Verlag). (Conrad Seidl, Viktoria Pernsteiner, DER STANDARD Printausgabe, 11.08.2005)