Bild nicht mehr verfügbar.

Unter anderem die Ölnachfrage in den USA und China treibt den Ölpreis auf immer neue Höchststände.

Foto: AP/Harte
Wien - Die amerikanischen Ölpreise haben die Marke von 66 Dollar je Barrel (159 Liter) bereits übersprungen, die in Europa marktdominierende Nordseesorte Brent notiert derzeit nur knapp darunter. Opec-Öl nähert sich unaufhaltsam der 60-Dollar-Marke.

Seit Wochen erklimmen die Ölpreise nahezu täglich neue Rekordmarken, ein Ende ist nicht wirklich in Sicht. "Bis Mitte Oktober sehe ich keine Chance auf substanziell sinkende Preise. 70 Dollar haben wir schon bald erreicht, alles darüber ist auch möglich. Da kann man jede Zahl nennen", sagte Johannes Benigni am Freitag zum STANDARD. Der ausgewiesene Experte leitet die Österreich-Tochter von PVM, dem größten Ölbroker der Welt.

Bis Mitte Oktober dauere erfahrungsgemäß nicht nur die Hurrikan-Saison, auch werde erst zu diesem Zeitpunkt genauer einschätzbar sein, wie signifikant die Versorgungsschwierigkeiten in der heurigen Wintersaison sein werden, meinte Benigni. Derzeit liege das Hauptproblem in den "viel zu geringen Reservekapazitäten" sowohl auf der Raffinerie-, als auch Förderseite. "Es wird überall auf Teufel komm raus produziert, ständig fällt daher irgendwo eine Raffinerie aus."

Klaus Matthies, Energieexperte beim Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA), ging mit seiner Prognose sogar noch weiter. Der Atomstreit zwischen dem Westen und dem Iran könnte den Ölpreis in den kommenden Tagen auf 80 Dollar und mehr treiben, sagte er dem "Tagesspiegel" (Montagausgabe). "Wenn es Sanktionen gegen den Iran geben sollte, steigen die Preise weiter", sagte Matthies. Ein echtes Angebotsproblem gebe es derzeit aber nicht: "In erster Linie gehen die immer neuen Rekorde zurück auf Spekulationen."

Politische Spannungen

Ein Hintergrund ist die Ölnachfrage in den USA und China. Neben den Raffinerie-Produktionsausfällen der jüngsten Zeit treibt dazu die Angst im Markt vor neuen politischen Turbulenzen in Saudi-Arabien oder im Iran die Preise von Rekord zu Rekord. Erst am Donnerstag hat die Internationale Energieagentur (IEA) die zusätzliche Angebotsmenge für Nicht-Opec-Öl deutlich nach unten revidiert. "Das sind genau die Meldungen, die wir derzeit nicht brauchen können", so Benigni. Gleichzeitig soll heuer und 2006 der globale Nachfrageanstieg aber jeweils rund zwei Prozent ausmachen, wobei freie Förderkapazitäten bei den Opec-Ländern de facto nur Saudi-Arabien hat.

Aufgrund der steigenden Ölpreise steigen gleichzeitig die Kursgewinne bei europäischen Staatsanleihen. "Der Ölpreis springt von einem Hoch zum nächsten. Viele Anleger befürchten zunehmend, dass der weltweite Konjunkturanstieg gebremst werden könnte", sagte WestLB-Anleihestrategin Sarah Lütgert. "Die hohen Ölpreise dämpfen zudem Spekulationen, die US-Notenbank könnte die Zinszügel stärker straffen als erwartet und den Leitzins bis Jahresende über 4,00 Prozent ansteigen lassen", ergänzte sie.

Frankreich könnte Mineralölsteuer senken

Die Entwicklung der Benzin- und Dieselpreise folgt klarerweise der Ölpreisentwicklung. Was in Österreich seit Langem von Automobilklubs, SPÖ, BZÖ und FPÖ gefordert wird, könnte in Frankreich Realität werden. Angesichts der Rekordpreise an den Zapfsäulen wird über die Senkung der Mineralölsteuern nachgedacht. Der Berichterstatter im Haushaltsausschuss der Nationalversammlung, Gilles Carrez, schlug am Freitag der Regierung vor, den Bürgern Rückerstattungen aus dem Steueraufkommen zu gewähren. (Michael Bachner, red, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13./14./15.8.2005)