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Foto: Archiv
Hinter den wiederkehrenden Rauchschwaden bleiben vor allem die kleineren Inselkolleginnen Filicudi und Alicudi im Westen des Archipels verborgen. Wind, Wasser, Feuer und Abenteuer sind die Zutaten, die die Äolischen Inseln schmackhaft machen. Die sieben Perlen im Mittelmeer verdanken ihren poetischen Namen Äolus, dem Gott der Winde, und tatsächlich pfeift der Wind manchmal ganz schön um die Gipfel des Archipels, der 40 Kilometer vor der Küste Siziliens liegt. Die Inseln sind seit Jahren ein beliebtes Reiseziel sowohl für Prominenz als auch Eremiten. Denn dank ihrer Verschiedenheit gelingt es ihnen, vom verwöhnten Luxustouristen bis zum Robinson-Crusoe-Urlauber alle zufrieden zu stellen. Gemeinsame Prädikatszeichen sind: türkisblaues Wasser, fischreiche Meeresgründe, duftende Vegetation und eine einfache, aber gute Küche. Gemeinsam ist den Schwestern auch ihr vulkanischer Ursprung. Ist dies in allen sieben Fällen unübersehbar, kann man es "hautnah" auf Stromboli, der nördlichsten Insel des Archipels, erleben. Schon von weitem sieht man das rote Glühen über dem Kegel.

Seit Jahrtausenden wird der Vulkan nicht müde, feurige Leuchtkugeln aus dem Erdinneren emporzuschleudern und dies in regelmäßigen Abständen: Etwa alle 20 Minuten meldet er sich grummelnd mit Ausbrüchen zu Wort. Trotz der ständigen Gefahr leben am Fuße des Feuerbergs 400 Einwohner, zu denen sich im Sommer scharenweise abenteuerlustige Touristen gesellen, die ein bisschen mit dem Feuer spielen möchten. Das ist auch erlaubt mit einem kundigen Führer, der die Reisenden im dreistündigen Aufstieg bis an den Kraterrand in 926 Meter Höhe heranführt. Keuchend vernimmt man das immer lauter werdende Poltern der leuchtend roten Lavabomben, die über die "Sciara del Fuoco", die Feuerrutsche, den Hang hinab ins Meer stürzen. Ein faszinierendes und zugleich unheimliches Schauspiel, dem man bequemer vom Meer aus zuschauen kann.

Ameisenhaufen

Die Inselrundfahrt lohnt sich, nur so gelangt man zu dem Fischerdorf Ginostra mit dem kleinsten Hafen der Welt, und dem Strombolicchio. Am Fuße dieses Felsen sollte man unbedingt in die Tiefe gehen - mit Korallenriffen und Poseidonienwiesen ein wahres Taucherparadies. Ein mondänes Urlaubervölkchen kolonisiert im Sommer die kleinste der sieben Schwestern, Panarea. Die Hauptattraktion ist Cala Junco, ein natürliches, türkisfarbenes Schwimmbecken an der Punta Milazzese. In dem, wie archäologische Reste zeigen, schon im Bronzezeitalter die Urbewohner herumplantschten. Das Eiland ist ein Archipel im Archipel, Ameisen nennt man die winzigen Inseln, über die Hibiskus, Ginster und Myrte ihr duftendes Kleid legen. Die weißen, niedrigen äolischen Häuser sind von lila-roter Bougainvillea umrankt. Glücklich, wer hier sein Ferienhäuschen hat oder auf der Yacht vor dem Riff schaukelt.

Ist Panarea vor allem betuchten Skippern vorbehalten, bietet Lipari fast ein volkstümliches Bild. 37,6 Quadratkilometer groß und mit 9000 Einwohnern ist sie die Hauptinsel des Archipels. Am Hafen legen täglich mehrere Fähren und schnelle Tragflügelboote an, Zimmervermieter und Pensionsbesitzer warten am Quai, die kleinen Gassen sind voll mit Souvenirläden, aus den zahlreichen Restaurants weht der Duft würziger Hummersuppe herüber. Doch bietet Lipari auch Kulturelles: Ihr Wahrzeichen ist die Akropolis, die von den Griechen errichtet und von Römern und Normannen ausgebaut wurde.

Jungbrunnen

Hier ist eines der interessantesten archäologischen Museen Italiens zu besichtigen. Die Säle bergen die Schät- ze der tausendjährigen Geschichte Liparis: Schmuck aus Bernstein, Korallen und Glas, Theatermasken, Werkzeuge aus Obsidian, dem erstarrten Lavastein, zeigen den hohen Grad der Zivilisation der Tochter Äolus'. Davon kann man sich auch in den Thermen von San Calogero überzeugen, die als älteste Sauna der Welt angepriesen werden.

Nach dem Modell der mykenischen Königsgräber errichtet, wurden sie bereits im zweiten Jahrtausend vor Christus genutzt. Vom "Belvedere Quattrocchi", einem Aussichtspunkt in der Nähe der Thermen, schaut man auf die Nachbarinsel Vulcano hinüber: Verdächtig gelbe Fumarole steigen über dem Eiland auf. Es sind Schwefelschwader. Nach dem Gott des Feuers und der Schmiedekunst genannt, im Mittelalter als Vorzimmer der Hölle angesehen, gilt die Insel heute als ein Jungbrunnen: In einem Tümpel in der Nähe des Hafens Porto Levante tummeln sich zahlreich Gäste und suhlen sich im schwefelhaltigen Schlamm, der Linderung bei körperlichen Beschwerden und vor allem schöne Haut verspricht. Dafür nimmt man offenbar gern den unangenehmen Geruch, der irgendwie an faule Eier erinnert, in Kauf.

Die Kur geht im Sprudelbecken weiter. Im Meerwasser steigen Gase auf und bilden am Strand natürliche Whirlpools. Nach dem gelblichen Schwefelzauber ist die grüne Insel Salina für die Sinnesorgane ein Labsal. Hier wird der Nektar der Götter, der süße Malvasiawein, angebaut und auf der Hochebene der Pollara wachsen die dicksten Kapern des ganzen Archipels. Die werden in Salz eingelegt und eignen sich hervorragend als Mitbringsel. Vor Ort kann man den lukullischen Genüssen auf vornehmste Weise in der Tenuta Capofaro des Grafen Tasca d'Almerita frönen. Von Weinreben und Mandelbäumen umgeben, tafelt man wie Bacchus mit Blick auf den schäumenden Neptun in der Tiefe im Restaurant des eleganten Bungalowferiendorfs.

Sehr viel einfacher geht es auf den Zwillingsschwester-Inseln Filicudi und Alicudi zu: Mit ihren rauen Klippen mögen sie fast ein bisschen schroff und abweisend wirken. Doch reitet man auf einem Esels vom kleinen Hafen Filicudi hinauf nach Pecorini oder schwimmt um das Riff La Canna unter dem natürlichen Felsbogen Punta Pertica hindurch bis zur Grotte des "Meerochsen", beginnt man in die besondere Atmosphäre der Insel einzutauchen.

Die kleine Insel wurde erst vor ein paar Jahren an das Stromnetz angeschlossen, worauf ihre knapp 100 Einwohner, fast ausschließlich Fischer, bis dahin offenbar gut verzichten konnten. Kalte Luftzüge aus dem Lavaspalten dienten ihnen als Kühlschränke für Speis und Trank. Zu Ersterem gehören übrigens saftige Langusten, die Alicudi gern als Zufluchtsort wählen und dabei ein weniger sicheres Schicksal haben als die Frauen, die zur Zeit der Sarazeneneinfälle hier, auf dem "Timpano delle femmine", von ihren sizilianischen Männern vor Piraten in Sicherheit gebracht wurden.(Der Standard, Printausgabe 13./14./15.8.2005)