Fast könnte man meinen, es harre nur mehr der schiedsgerichtlichen Entscheidung im Fall Bloch- Bauer (über mehrere Werke von Gustav Klimt), und das Problem mit der geraubten Kunst sei Geschichte. Diesen Eindruck erweckt das Bildungsministerium: Seit vielen Monaten verspürt man kein Interesse, die Öffentlichkeit über Restitutionsaktivitäten zu informieren. Und längst fällige Entscheidungen werden nicht getroffen – wohl in der Hoffnung, dass dies nicht auffällt. Die Devise der Wiederaufbaujahre, die Sache in die Länge zu ziehen, gilt also nach wie vor: Weder traut man sich, einen Schussstrich zu ziehen, noch will man zu einem Ende gelangen. Die Restitution wird einfach ausgeblendet.

Zwar gibt es das Kapitel "Restitutionsbericht" auf der Homepage www.bmbwk.gv.at des Ministeriums. Denn laut Kunstrückgabegesetz vom Dezember 1998 besteht eben "eine jährliche Verpflichtung zur Information des Nationalrates über die erfolgte Übereignung von Kunstgegenständen". Der zuletzt, vor über einem Jahr, veröffentlichte Bericht behandelt den Zeitraum von Dezember 2002 bis Dezember 2003. Im Internet zugänglich ist groteskerweise nur die englische Fassung.

Auf der Homepage heißt es weiter, die Kommission für Provenienzforschung arbeite "laufend an der Katalogisierung" der im Rückgabegesetz genannten Kunstgegenstände und übermittle das Ergebnis ihrer Nachforschungen jeweils dem eingerichteten Beirat, der Empfehlungen abgibt.

In der Tat arbeiten drei Provenienzforscher im Denkmalamt auf Werksvertragsbasis und etliche weitere in den Landesmuseen. Doch Koordinierung gibt es schon länger keine mehr: Ernst Bacher, von 1998 an äußerst engagierter Leiter der Kommission, starb am 29. April dieses Jahres. Der Posten wurde bisher nicht nachbesetzt. Provenienzforscher befürchten daher eine Verzögerungstaktik, die in der Nominierung eines Mannes münden könnte, der 1998, als die Raubkunstfälle aufgrund einer Standard-Recherche pub^lik wurden, die Angelegenheit verharmlosen wollte.

Und die Beiratstätigkeit wird auf der Homepage im Perfekt erklärt – als wäre die Arbeit bereits abgeschlossen: "Der Beirat ist seiner Beratungspflicht nachgekommen. Er hat die von der Provenienzforschungskommission erarbeiteten Dossiers über die einzelnen Fälle einer eingehenden Prüfung unterzogen und sodann entsprechende Empfehlungen abgegeben."

Doch nach wie vor finden Sitzungen statt. Bis ins Jahr 2002 hinein gab das Ministerium von sich aus bekannt, welche Fälle behandelt wurden. In der jüngsten Vergangenheit wird darauf aber verzichtet. Man verschweigt bis dato die mutmaßlich wenig erfreulichen Ergebnisse der letzten Sitzung, die schon vor sieben Wochen, am 29. Juni, stattfand. Auf wiederholtes Nachfragen des Standard bestätigte das Ministerium lediglich, dass keine Rückgabeempfehlung im Spezialfall Bloch-Bauer gegeben wurde: Auch Klimts Porträt der Amalie Zuckerkandl dürfte daher nun Teil des Schiedsgerichtsverfahren sein, auf das sich Maria Altmann und die Finanzprokuratur im Mai geeinigt haben.

erüchteweise soll zudem der Fall Jenny Steiner abschlägig beurteilt worden sein: 1951 wurde Egon Schieles bedeutendes Spätwerk Mutter mit zwei Kindern zwar restituiert, aber das Denkmalamt verhängte eine Ausfuhrsperre, so dass Jenny Steiner, nach New York geflohene, das Gemälde um 20.000 Schilling der Österreichischen Galerie verkaufte.

Das Ministerium gab bisher auch keinen nächsten Sitzungstermin bekannt. Er werde, so die Auskunft, wohl im Herbst stattfinden. Er hänge von den Dossiers ab, die vorgelegt werden können. Doch an diesen herrscht kein Mangel.

Über den Fall Richard Neumann zum Beispiel berichtete der Standard vor über einem Jahr, am 21. Juli 2004: Der Industrielle floh nach Havanna, dessen Villa in der Hasenauer^straße 30 "arisierte" Daisy Prinzessin Fürstenberg, mehrere Kunstwerke wurden "sichergestellt": Zwei Kremser Schmidts gingen ans Städtische Museum Krems, das "hoch entzückt" war, zwei Altarflügel Maerten van Heemskercks ans Kunsthistorische Museum. Das KHM bestand nach dem Krieg auf der Rechtmäßigkeit der Erwerbung, verlor aber den Prozess.

1953 kam es zur Einigung: Neumann erhielt 3000 Dollar und ein Gemälde von Goosen van der Wexden als Ersatz. Aber Neumann hatte gar keine andere Wahl, weil das Werk mit einem Ausfuhrverbot belegt worden war. Der Fall ist bereits seit 1998 bekannt. (DER STANDARD,Print, 17.8.2005)