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Foto: REUTERS/DADANG TRI
Wien – In den Niederlanden müssen Geflügelhalter ihre Tiere ab Montag einsperren. In Deutschland soll diese Sicherheitsmaßnahme ebenfalls verordnet werden – bis 15. September, kurz vor Eintreffen der Zugvögel aus Asien, die die dort grassierende Vogelgrippe in die EU einschleppen können. Auch in Österreich gibt es Notfallpläne, an ein Hendlwegsperren ist aber nicht gedacht: Die Zugrouten laufen vorbei, das Risiko einer Einschleppung nach Österreich ist gering.

Notschlachtungen

Die asiatische Vogelgrippe ist erst vor wenigen Tagen im Uralgebiet ausgebrochen, der geografischen Grenze zu Europa. Seit 1997 brachte der Erreger schon rund 140 Millionen Vögel um. Trotz Notschlachtungen, die gewaltige ökonomische Schäden verursachten, konnte er nicht aufgehalten werden. Betroffene Länder hoffen, die Ausbreitung durch neue Impfstoffe für gesundes Geflügel stoppen zu können.

Bis heute ist die Vogelgrippe ein landwirtschaftliches und veterinärmedizinisches Problem – auch wenn das Virus bei sehr engem Mensch-Tier- Kontakt die Artenbarriere überspringen kann: 120 Menschen wurden infiziert, 64 von ihnen starben. Doch das Virus ist nicht von Mensch zu Mensch übertragbar. Jedenfalls noch nicht. Forscher und Gesundheitsbehörden wie die WHO warnen aber vor einer möglichen Mutation, die dem Menschen gefährlich werden kann: Das Erbgut der Viren ist sehr instabil. Durch permanente Mutationen in ihrem Genom kommt es laufend zu Veränderungen, entstehen immer neue Influenzavarianten.

Gefährliche "Antigenshift"

Diese „Antigendrift“ ist der Grund, warum es jedes Jahr neue Impfstoffe braucht. Problematischer ist die „Antigenshift“: der Austausch genetischer Informationen zwischen verschiedenen Influenzastämmen. Dabei entstehen Viren mit neuen Kombinationen der für die Infektion entscheidenden Oberflächenproteine Neuraminidase und Hämagglutinin (siehe Wissen).

Von allen Hämagglutinin-Varianten kommen derzeit nur vier bei jenen Influenzaviren vor, die Menschen befallen. Durch Antigenshift könnte aus Vogelgrippevirus und humanem Influenzaerreger ein neuer, eine Pandemie auslösender Killer entstehen. Voraussetzung: die gleichzeitige Infektion eines Menschen oder Tieres mit beiden Virenstämmen. Dies soll 1918 Auslöser der „Spanischen Grippe“ mit bis zu 50 Millionen Toten gewesen sein.

Kosten fürs Gesundheitssystem

Nach WHO-Schätzungen würde ein solches Pandemie- Virus im günstigsten Fall nur 30 Prozent der Bevölkerung infizieren. Für Österreich hieße das laut jüngster Studie des Wiener Instituts für pharmaökonomische Forschung: mehr als 2,4 Millionen Infizierte, etwa 1,4 Milliarden Euro direkte Kosten etwa für Therapie und Krankenstände. Die Zahl der Todesfälle wird – bei gleicher Aggressivität wie herkömmliche Grippeviren – mit etwa 12.000 angegeben. Zusätzlicher Schaden für die Volkswirtschaft allein am Beispiel Wintertourismus (krankheitsbedingte Stornos der Gäste und Ähnliches): Ein Umsatzausfall von 70 Prozent entspräche einem Wertschöpfungsverlust von 2,25 Prozent des BIP (5,3 Milliarden Euro), würde zu einer Stagnation der Wirtschaft führen.

Nur 30 Prozent Einbußen entsprächen einem Wertschöpfungsausfall von 0,9 Prozent des BIP (2,27 Mrd.). Nicht zuletzt deshalb will der Ministerrat am 30. August im Rahmen des österreichischen Pandemieplans über den Ankauf ausreichender Mengen „Tamiflu“ (Roche) entscheiden: Die Arznei bekämpft bisher bekannte Influenzaerreger direkt, soll die Ausbreitung eines neuen verhindern können – bis ein Impfstoff da ist. (Andreas Feiertag, DER STANDARD Printausgabe, 20./21.08.2005)