Wolfgang Klas

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STANDARD: Was ist die Aufgabe Ihrer Forscher- und Entwicklungsgruppe?

Klas: "Digital Memory Engineering" beschäftigt sich mit den Methoden und Techniken, auf der Basis von hoch strukturierten Informationen gedächtnisleistende Systeme zu erzeugen. Das bedeutet zum Beispiel auch etwas ganz Spezifisches: Wir Menschen können Dinge ausblenden und später wieder ins Bewusstsein rufen. Das wollen wir, wenn Sie so wollen, simulieren.

STANDARD: Bei "Digital Memory Engineering" könnte man an Google oder Yahoo denken. Was machen Sie anders oder mehr?

Klas: Es geht weiter. Google gibt einem eine Suchmaschine in die Hand. Wir wollen digitalen Content in allen Formen zugänglich machen. Große Institutionen, etwa Nationalbibliotheken, haben ihre Bestände über Jahrhunderte akkumuliert und müssen sie archivieren und erschließen - bisher auf traditionellem Weg. Jetzt kommen aber zum Beispiel für die Deutsche Bibliothek alle Websites im deutschsprachigen Raum dazu.

STANDARD: Werden die nicht von den klassischen Suchmaschinen auch durchforstet und bereitgestellt?

Klas: Ja, aber vergleichsweise ohne System. Mit einem Digital Memory wollen wir ein geordnetes System schaffen, das mit standardisiertem Vokabular einen gezielten Materialzugang ermöglicht. Man kann Zeitachsen, Orte, bestimmte Programme zur Einschränkung angeben. Man bekommt n-dimensional die Möglichkeit, die Welt zu ordnen. Und zwar - und das ist neu - in allen digitalen Contents. also auch mit Videos, Bildern usw.

STANDARD: Wer außer große Bibliotheken kann das anwenden?

Klas: Zum Beispiel ein Schlüsseltechnologiehersteller, der weltweit zwei-, dreihundert Unternehmen zusammengekauft hat. Der hat das Problem, dass er alle Informationen verfügbar haben muss, von allen bisherigen Einzelfirmen. Die muss er integrieren. Dazu braucht er eine übergreifende, vereinheitlichende Plattform.

STANDARD: Ein konkretes Beispiel?

Klas: Das war ein sehr konkretes Beispiel. Oder Pharmaunternehmen, die über Jahrzehnte, bis zurück zu Zeiten, wo noch sehr wenig digital verarbeitet wurde, alle Unterlagen zur Verfügung haben müssen. Das ist auch ein konkretes Beispiel.

STANDARD: Können Sie uns noch eines bringen?

Klas: Gleich hier: die Universität Wien - ein Vollsortimenter! Sie hat große Datenmengen in den Bereichen Forschung und Lehre und im administrativen Bereich. Es gibt zudem erhebliche Bestände an Bildmaterial und Filmen bei den Kulturhistorikern, den Theaterwissenschaftern, den Zeitgeschichtlern. Wie viele andere Unis verfügt auch die Uni Wien über kein unternehmensweites Content-Management. Die Frage ist, wie sie es am besten organisieren kann: Das wäre Corporate Memory. Eine Lösung dafür muss man über mehrere Jahre entwickeln. Eine Arbeitsgruppe bei uns beschäftigt sich mit dieser Problemstellung.

STANDARD: Da spielt wohl die Frage der Kompatibilität mit anderen großen Institutionen eine Rolle.

Klas: Ja. Und die funktioniert nur in einem offenen System zufrieden stellend.

STANDARD: Wie würden Sie Ihr Research-Studio zwischen Uni und ARC Seibersdorf verorten?

Klas: Als eine ideale Verlängerung dessen, was man an der Universität machen kann. An der Uni sind wir auf Forschung und Ausbildung ausgerichtet, am Research-Studio kann man die letzte Meile zu Anwendungen gehen in Richtung Forschung, die auch Spuren hinterlässt: Research that matters. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22. 8. 2005)