Wien - Die steirische Landespolitik zeigt sich angesichts der Überschwemmungen mit bisher einem Todesopfer einsatzfreudig. In Wahlkampfzeiten wohl unvermeidlich: Einem Krisengipfel der Landesregierung folgte am Montag der Aufbruch von Landeshauptfrau Waltraud Klasnic (V) und Herausforderer Franz Voves (S) in die Überschwemmungsgebiete. Ob sich derartige Auftritte am Wahltag wirklich auszahlen, das beurteilen Meinungsforscher jedoch eher skeptisch.

Für Klasnic hat sich der Katastropheneinsatz jedenfalls schon einmal gelohnt: Als im Juli 1998 im obersteirischen Lassing eine Talkgrube einstürzte, positionierte sich die Landeshauptfrau durch tatkräftigen Einsatz und öffentlich gezeigtes Mitgefühl als Krisenmanagerin mit Herz. Von den Medien wurde Klasnic daraufhin zur "Magna Mater Styriae" stilisiert. Bei der Landtagswahl im Oktober 2000 fuhr sie einen Erdrutschsieg ein.

Beutelmeyer: "Bereits auf Hochwasser geeicht"

Dass der aktuelle Hochwassereinsatz einen ähnlichen Effekt haben könnte, glaubt Werner Beutelmeyer vom Linzer market-Institut jedoch nicht. "Im heurigen Sommer sind die Österreicher und die Steirer bereits auf Hochwasser geeicht. Da ist nicht mehr diese starke Betroffenheit da. Das ist mit Lassing nicht zu vergleichen", sagt Beutelmeyer gegenüber der APA. Zwar könne das Hochwasser eine Zeit lang von Themen wie Herberstein oder Estag ablenken, aber das Kopf-an-Kopf-Rennen von ÖVP und SPÖ werde wohl weiter gehen.

Ogris: Unentschlossene anders erreichbar

Ähnlich Günther Ogris von Sora: Durch die Katastrophenhilfe seien zwar Wählerschichten erreichbar, "die die Innenpolitik-Seiten nicht lesen". Die derzeit unentschlossenen Wähler in der Steiermark seien aber eher über Themen wie Herberstein, Spielberg und Estag enttäuscht. "Ob man diese Proteststimmung überrollen kann, ist offen", meint Ogris.

Hajek: Kommt auf Medienberichte an

Für Peter Hajek von OGM hängt der Erfolg politischer Katastropheneinsätze vor allem von der medialen Darstellung ab: "Es kommt auf die Medienberichte an, wie die Menschen das wahrnehmen: Wirkt es inszeniert, dann lehnen sie es ab. Wenn sie das Gefühl haben, die Politiker sind mit Herz und Seele dabei, dann kommt das an." Den Politikern aus solchen Auftritten einen Vorwurf zu machen, wäre für Hajek jedoch "ungerecht", "weil das als Landeshauptmann einfach dazugehört".

Gummler

Zum Pflichtprogramm gehören Hochwasser-Auftritte freilich nicht nur für Landespolitiker. So zeigte sich SP-Kanzler Viktor Klima 1997 und 1999 in Gummistiefeln im Hochwassergebiet - abgewählt wurde er trotzdem. Ähnliche Auftritte absolvierten sein Nachfolger Wolfgang Schüssel (V) und dessen Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer (F) 2002 in Nieder- und Oberösterreich. Für die ÖVP war das Hochwasser damals außerdem eine günstige Gelegenheit, die für Juli 2003 geplante Steuerreform zu verschieben - was die Regierung Schüssel I in eine schwere Krise und schließlich in vorgezogene Neuwahlen stürzte.

Für den angeschlagenen deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder leitete das Jahrhunderthochwasser im Sommer 2002 (gemeinsam mit dem Widerstand gegen die amerikanisch-britische Invasion im Irak) sogar die Trendwende für die Wiederwahl im September ein. "Mit dem Wasser der Elbe steigen auch Schröders Chancen", meinte der sozialdemokratische schwedische Ministerpräsident Göran Persson damals ironisch. (APA)