Bild nicht mehr verfügbar.

Franz Koglmann

Foto: APA/Bundespressedienst
Pianist Oskar Aichinger und Trompeter Franz Koglmann treten am Donnerstag bei dem von Saalfelden ins Porgy & Bess transferierten Festival "Short Cuts" auf. Ein Gespräch über Liebeslieder, poppige und gesellschaftliche Trends und den gesellschaftlichen Stellenwert von Jazz.


Wien - Wie's auf der Hochzeit war? Wer denn geheiratet habe? Es sind etwas andere als die üblichen Fragen, mit denen sich Franz Koglmann und Oskar Aichinger derzeit zuweilen konfrontiert sehen. Nicht aus zwischenmenschlichen, sondern tatsächlich aus musikalischen Gründen. Falter-Kulturchef Klaus Nüchtern war es, der einen Freund aus nämlichem Anlass mit einem besonderen Präsent beglücken wollte: Lieder von Burt Bacharach sollten es sein, verpackt in die melancholische Klangaura von Koglmanns Flügelhorn- und Aichingers Tastentönen.

Eine Überraschung, zweifellos: Er, der 58-jährige Wiener Jazz-Intellektuelle, der sich in seinen letzten großen Werken den Themen T. S. Eliot bzw. Ezra Pound gewidmet hatte, er wagte sich an die durch Dusty Springfield, The Carpenters und Dionne Warwick bekannt gewordenen Liebespreisungen des New Yorker Song-Poeten.

Dem Text nach

"Anfangs war eine gewisse Skepsis da, ob dieses Material mit unserer Welt kompatibel ist", so Aichinger. "Wobei sich bald herausstellte, dass Bacharach ein interessanter Fall ist, etwa weil er im Bereich der Unterhaltungsmusik unübliche Taktwechsel macht - indem er dem Text folgt. Es kommen 15-taktige Formen vor, Anomalien, die durch den Musikfluss nicht auffallen."

Das sei eine Art doppelter Boden, der in den Liedern steckt - "was unabdingbar ist für einen guten Song. Ein gutes Liebeslied inkludiert immer auch die Möglichkeit des Abschieds." Und Koglmann: "Wir sind ohne musikalischen Vandalismus vorgegangen. Wir haben eher versucht, die originale Stimmung auf unsere Art wiederzugeben."

Wie sich anhand der als Bridal Suite edierten, anempfohlenen CD-Fassung des Projekts nachhören kann, erscheint im Lichte der nachdenklichen Entrücktheit, in das man die Songs taucht, die Vorlage freilich ohnehin als sekundär. Koglmann und Aichinger machen mit oder ohne Bacharach primär Koglmann-Aichinger-Musik.

Neue Offenheit

Dennoch scheint das zu Popularität gekommene Gelegenheitsprojekt kein Zufallstreffer: Klinkt es sich doch nahtlos in die Welle der neuen Offenheit zwischen den einst streng bewachten Lagergrenzen von Pop und Jazz ein, die heute alle paar Wochen einen Jazzer mit neuen Sting- oder sogar Abba-Covers an die Gehörgänge spült.

Aichinger: "Das ist eine logische Entwicklung. All the Things You Are war ja auch ein Tagesschlager. Es gab insofern eine Verkrustung, als man sich im Jazz lange Zeit nur auf ein bestimmtes Standard-Repertoire, das ästhetisch längst veraltet ist, konzentriert hat. Ich finde es unverkrampfter und normaler, sich auch mit dem aktuellen Liedgut auseinander zu setzen."

Koglmann spricht stattdessen von einem fragwürdigen "Anbiederungsphänomen" im Jazz und nennt als Beispiel den Trompeter Till Brönner, der auch schon mit den No Angels kollaboriert hat. Trotz dieser neuen Popularitätswelle für den Jazz, trotzdem die ehemalige Bürgerschreck-Musik heute hohe gesellschaftliche Akzeptanz genießt (mit Heinz Fischer hat sich ein zweiter Bundespräsident als Fan geoutet), sieht Koglmann die gesellschaftlichen Stellenwert des Jazz im Grunde noch immer als gering an.

Argumentative Munition erhält er dabei durch den Umstand des (vorläufigen) Endes des Jazzfestivals Saalfelden, Österreichs international bedeutendstem, Minderheitenmusik mit einem Massenpublikum versöhnendem Jazz-Event - dessen Short Cuts genanntes Filetstück von Mitbegründer Christoph Huber nun im Porgy & Bess veranstaltet wird, während im Pinzgau die Verantwortlichen in einer zweitägigen Klausur Möglichkeiten für eine Festivalwiederaufnahme 2006 beraten.

"Natürlich besagt dies, dass der Jazz für die Salzburger Landespolitik keinen wirklichen Stellenwert hat", so Koglmann. "Da ist alles auf die Festspiele hin ausgerichtet. Im Moment wird die Entwicklung der letzten Jahrzehnte hin zu einem differenzierten Kulturangebot wieder durch einen Zug zum Großen, zur Eventisierung unterlaufen."

Das sei nicht auf Österreich beschränkt, "ich sehe das als internationales Phänomen in der Folge des neuen Manchester-Liberalismus. In der Gesellschaft macht sich ein Gefühl wie nach der Party breit." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.8.2005)