Die Schau "Hybrid Creatures and Paradox Machines" bringt auch "Love Arms".

Foto: Courtesy: Matsukage Hiroyuki/ Mizuma Art Gallery, Tokyo
Kadmos, den Gründer Thebens, soll man sich mit Schlangenfüßen vorstellen. Aber nur so lange, bis er sich samt seiner Frau komplett in ein Reptil verwandelt. Unter einer Eurynome muss man sich eine Frau mit dem Unterleib eines Fisches vorstellen, Demeter hingegen war fast ganz Frau. Nur deren Kopf war einem Pferd entlehnt. Und dann gibt es da noch Chimären, Drachen und Einhörner, Greife, Kentauren und Nixen. Ja, selbst der Beelzebub wird einem bisweilen als Mischwesen aus Mensch und Rind beschrieben.

Irgendwie ärger ist aber die Vorstellung, den Wächtern des Berges Maschu zu begegnen: Die sind laut Gilgamesch-Epos halb Mensch, halb Skorpion. Die Sphinx ist auch nicht ohne. Aber Gott sei Dank sind die alle weit weg.

Näher sind da schon der Golem oder die künstliche Frau Maria aus Fritz Langs Metropolis, noch näher die Cyborgs aus Hollywood. Und gerade eben erlebt eine der fürchterlichsten Heimsuchungen der Menschheit eine Renaissance: das Tamagotchi.

Und da man mittlerweile ja abgebrüht genug ist, nicht alles für gottgeschaffen zu halten, von dem einem in irgendwelchen Reisetagebüchern so berichtet wird, kommt rasch die Frage nach den wirklichen Schöpfern solcher Grauslichkeiten. Wer bitte sind die? Was bitte machen die? Und vor allem: warum?

Ein paar Antworten sollte die Ars Electronica 2005 zu bieten haben. Widmet doch das Festival Hybrid - living in a paradox eine beachtliche Abteilung den hybriden Kreaturen und paradoxen Maschinen aus den Labors der ganzen Welt. Und gleich die Einführung in das Thema im Katalog kann mit einer erschütternden Trouvaille aufwarten: "Neue Kreaturen zu entwerfen ist einfach witzig!" Zitiert wird da die Amazon.de-Redaktion mit ihrer Bewertung des Computerspiels Impossible Creatures. Das sitzt! Man merkt gleich: Wenn Spaß dahinter steht, dann wird es so etwas immer geben. Und, das haben wir über viele Jahre Ars Electronica gelernt und kurz darauf im Alltag praktisch erfahren: Die Technik ist immer weniger ein Hund. Hatte Dr. Frankenstein in seinem Labor quasi dauernd mit Kurzschlüssen zu rechnen und verloren frühe Cyborgs dauernd irgendwelche Teile oder rotierten irr, sind die Kreaturen mittlerweile echt stabil. Aber Furcht erregend wie immer.

Fauchschaben Zur Aufrechterhaltung der Spannung hier nur eines von erstaunlichen vielen Beispielen vor Ort: der Cockroach Controlled Mobile Robot # 2. Und der funktioniert, laut Erfinder Garnet Hertz, so: "Das Herzstück des Projektes besteht aus einem von einer Schabe kontrollierten mobilen Roboter: Ein mechanisches System verstärkt und übersetzt die Körperbewegung und die Intelligenz einer imposanten Madagaskar-Fauchschabe in die Bewegung einer beweglichen Maschine. Das hybride Biorobotic-System veranschaulicht, dass es die einfache Intelligenz einer lebenden Schabe ist, die als zentrale Steuereinheit, CPU, für das komplex ,emergente' Verhalten eines Roboters sorgt."

Was da so wissenschaftlich trocken hinformuliert wurde, heißt in Wirklichkeit nichts anderes, als dass Fauchschaben ab sofort selbstständig Auto fahren können! Und man wagt es sich gar nicht auszudenken, was der angebliche Fortschritt noch so alles bringt. Womöglich rosarote Plüschtiere, die sich über Sprachtheorie streiten und darob gewaltig in die Haare kriegen. (DER STANDARD, Printausgabe vom 26.05.2005)