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Wien - "Sommerpause" prangt derzeit in roten Buchstaben über dem Eingang der Breitenseer Lichtspiele. Hinter den Schaufenstern grinst Romy Schneider neben Bela Lugosi von den ausgebleichten Filmplakaten, die von glücklicheren Tagen des Kinos zeugen.

"Früher hatte ich bei jeder Vorstellung eine lange Liste von Personen, die einen persönlichen Sitzplatz reserviert haben wollten - egal, was gespielt wurde. Die Stammgäste sind aber immer älter geworden und schließlich ausgeblieben." Heute würden gerade fünf bis zehn Besucher pro Vorstellung kommen, erzählt Anna Nitsch-Fitz nüchtern, die seit 1969 die Breitenseer Lichtspiele in Penzing, Wiens ältestes durchgehend bespieltes Kino, betreibt.

Retrospektive

Nichtsdestotrotz freut sich die Dame mit den grauen Locken auf die Galapremiere am 9. September, bei der das 100-jährige Bestehen des Lichtspieltheaters mit einer Retrospektive über 100 Jahre Filmgeschichte gefeiert wird.

1905 als Zeltkino gegründet, wurde das Vorstadtkino vier Jahre später am heutigen Standort in der Breitenseer Straße 21 sesshaft. In dem Jugendstil-Eckhaus wurde anstatt von zwei Lokalen ein lang gezogener Kinosaal eingebaut - ein zu dieser Zeit typisches Laden- oder "Handtuchkino".

Zurück zur Urfarbe

In den letzten vier Jahren hat Frau Nitsch-Fitz das Kino originalgetreu renoviert: Das Grün auf Fenstern und Türen entspricht der "Urfarbe", die erst nach langem Kratzen zum Vorschein gebracht werden konnte, ebenso wie das Beige der Stofftapeten im Saal. Ihr ganzer Stolz ist der Filmprojektor aus den frühen 60er-Jahren. Im Gegensatz zu modernen Apparaten ist er nämlich absolut immun gegen Filmrisse, die durch Klebestellen bei alten Bändern hervorgerufen werden.

Die Leidenschaft für das Kino liegt in der Familie: Nitsch-Fitz' Großmutter war Inhaberin des Nußdorfer Kinos, das 1969 geschlossen wurde. Deswegen kaufte die Enkelin mit ihren Ersparnissen die Breitenseer Lichtspiele um 150.000 Schilling. Seither betreibt sie das Kino quasi im Alleingang. Bis auf die Bedienung der Projektoren erledigt sie von der Kassa, die zugleich Snackbar ist, bis zur Programmierung alles selbst.

Die letzten fünf Monate hat Nitsch-Fitz mit der Auswahl und Suche von 143 Filmen zugebracht, die auf zehn Jahrzehnte aufgeteilt von 9. September bis 26. Jänner gezeigt werden. "Es ist für jeden etwas dabei: Für Ältere, für Jugendliche und für Cineasten", beschreibt sie das Programm, das von amerikanischen Stummfilmklassikern über europäische Avantgarde bis zu japanischen Animes reicht. Auch wenn das Geld immer knapp ist - heuer wurden auch noch die Förderungen gekürzt -, wird die unermüdliche Filmliebhaberin weitermachen. "So lang ich kann!" (Karin Krichmayr, DER STANDARD Printausgabe, 26.08.2005)