Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA/Schneider

Wien – Rupert Riedls wissenschaftliches Vermächtnis ist in unzähligen Veröffentlichungen und Büchern niedergeschrieben. Der in der Nacht auf Montag 80-jährig verstorbene Biologe hat aber auch in anderer Hinsicht deutliche Spuren hinterlassen. Der Konrad Lorenz-Schüler "konnte Leute für wissenschaftliche Fragestellungen begeistern wie kaum ein anderer, dementsprechend groß ist die Zahl seiner Schüler", sagte Peter Weish, Biologe und Weggefährte Riedls im 1996 gegründeten Club of Vienna.

Riedl hat sich im Laufe seiner Karriere nicht nur in zahlreichen biologisches Fachdisziplinen erfolgreich betätigt. Vor allem in seinen späteren Jahren zog es in immer mehr auch zur Philosophie. Der Forscher begann seine Forscherlaufbahn als Meeresbiologe, später verschrieb er sich morphologisch-anatomischen Studien, die schließlich in der Weiterentwicklung der von den beiden österreichischen Nobelpreisträgern Karl Popper und Konrad Lorenz begründeten "Evolutionären Erkenntnistheorie" (EE) gipfelten. Kernaussage der EE ist es, die Ordnungsmuster unseres Denkens als ein Selektionsprodukt aus den Ordnungsmustern der Natur zu betrachten.

Werdegang

Rupert Riedl, am 22. Februar 1925 als Sohn eines Bildhauers in Wien geboren, sollte eigentlich auf Wunsch des Vaters akademischer Maler werden. Aber vorerst kam er nach Absolvierung der Kriegsmatura 1943 zum Arbeitsdienst und wurde schließlich zur deutschen Wehrmacht eingezogen. Er wurde verwundet und geriet in Gefangenschaft, von der er 1945 heimkehrte.

Getreu dem Willen des Vaters gab Riedl 1945/46 ein "Gastspiel" auf der Akademie der Bildenden Künste. Geblieben ist davon eine lebenslange Liebe zu Kunst und Kultur. Beruflich entschied sich Riedl aber sehr rasch für die Naturwissenschaften. Über einen kurzen Ausflug in die Medizin gelangte er schließlich zur thematisch umfassenderen Biologie, in der er 1952 an der Universität Wien promovierte.

Schwerpunkt Meeresbiologie

Schon in Studentenzeiten bewies der angehende Zoologe seine Führungsqualitäten. So leitete er 1948/49 die erste Nachkriegsexpedition ("Unterwasser-Expedition Austria"), die unter anderem nach Sizilien führte. Es folgten Studienaufenthalte an verschiedenen marinbiologischen Stationen am Mittelmeer und an der Nordsee. Auf Grund seiner Expeditionserfahrungen war Riedl später auch maßgeblich am Aufbau der österreichischen meeresbiologischen Studentenkurse beteiligt. Seine erste Anstellung erhielt Riedl 1953 als wissenschaftliche Hilfskraft am Zoologischen Institut der Uni Wien bei dem bekannten Anatomen Karl Marinelli.

Rupert Riedl habilitierte sich 1960 für "Zoologie unter besonderer Berücksichtigung der Morphologie und Meereskunde". Auf dem Gebiet der Meereskunde veröffentlichte er seine ersten bahnbrechenden Arbeiten und Bücher, darunter "Die Biologie der Meereshöhlen" sowie "Fauna und Flora der Adria". Letzteres Werk erweiterte er später zur 800 Seiten starken "Fauna und Flora des Mittelmeeres" (kurz "Der Riedl" genannt), das mit Abstand umfassendste Werk über das Mittelmeer.

Professur in den USA

1967 folgte der Meeresforscher einer Einladung durch die National Science Foundation als Gastprofessor an die University of North Carolina (USA), wo er ein Jahr später zum Full Professor und gleichzeitig Research Professor of Marine Sciences an die dortigen Meeresstationen berufen wurde. Riedl kehrte 1971 an die Universität Wien als Ordinarius des Zoologischen Institutes zurück und gründete in der Folge die Abteilungen Meeresbiologie und Ultrastrukturforschung sowie Theoretische Biologie.

Die weiteren wissenschaftlichen Arbeiten Riedls beschäftigten sich zumeist mit der Evolutionsforschung, es folgten Bücher wie "Die Ordnung des Lebendigen" (1975), "Die Strategie der Genesis" (1976), "Evolution und Erkenntnis" (1982), "Die Spaltung des Weltbildes" (1985), "Kultur-Spätzündung der Evolution" (1987), "Der Wiederaufbau des Menschlichen" (1988) oder "Biologie der Erkenntnis. Die stammesgeschichtlichen Grundlagen der Vernunft" (1988). 1987 war er Mitherausgeber von "Entwicklung der evolutionären Erkenntnistheorie". Riedls Beitrag zur evolutionären Erkenntnistheorie war vor allem der Vergleich des Entstehens unserer Denkordnung mit dem Entstehen von Ordnung in der Natur, die Begründung der Ersteren durch Letzteres.

Umweltschutz-Aktivist

In den folgenden Jahren engagierte sich der Vater zweier Töchter zunehmend für den Umweltschutz. So war er 1983 in der "Hainburg-Bewegung" aktiv und äußerte sich als einer der drei Präsidenten des "Forums österreichischer Wissenschaftler für den Umweltschutz" auch kritisch zu Fragen wie Umweltschutz und EU-Mitgliedschaft und forderte verstärkte Umweltbildung in der Bevölkerung.

1989 kehrte der Professor noch einmal an die Wirkungsstätte seiner Jugend zurück. In dem Buch "Die Gärten des Poseidon", das auch Grundlage für eine mehrteilige Dokumentationsserie des ORF wurde, zeigte Riedl Schönheiten, aber auch die nachhaltigen Veränderungen im europäischen Mittelmeer auf, die der Mensch in den letzten Jahrzehnten verschuldet hat. Institutionen

Nach dem Tod von Konrad Lorenz gründete Riedl 1990 das nach dem Nobelpreisträger benannte Institut für Evolutions- und Kognitionsforschung in der ehemaligen Lorenz-Villa in Altenberg. Das Institut beschäftigt sich, aufbauend auf der von Lorenz mit begründeten Evolutionstheorie, mit der Entwicklung der Theorie des Verhaltens und der Kognition.

1996 gründete er gemeinsam mit Wissenschafterkollegen in Anlehnung an den Club of Rome den "Club of Vienna". Der Club versteht sich als fachübergreifende Plattform und beschäftigt sich etwa mit Schattenseiten des Kapitalismus und dem Phänomen Wachstum in der Wirtschaft.

Als letztes Druckwerk veröffentlichte Riedl im Vorjahr "Weltwunder Mensch oder Wie wir gemacht sind" (Seifert Verlag). Er gibt darin Geschichten wieder, mit denen er nach eigenen Angaben seinen Töchtern über seine Forschungsarbeiten berichtete.

Vermittler-Roller gewürdigt

Betroffen hat Wiens Wissenschaftsstadtrat Andreas Mailath-Pokorny reagiert. "Er war nicht nur Forscher und Wissenschafter mit Leib und Seele, er verstand es auch, Wissenschaft einer sehr breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen." Mit Hilfe moderner Mittel und Medien habe er es geschafft, ein breites Bewusstsein für seine Theorien zu erreichen und vorgezeigt, wie Wissenschaft auch heute immer wieder den Weg zu den Menschen aktiv finden muss. (APA)