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Wien – „Herr Landeshauptmann“, wird ihm nachgerufen, als er durch den Hof des Alten AKH schreitet. Doch es ist nicht der hiesige Landesfürst – „heit kumman die Landeshirschen auf Wien eine“, setzt der Rufer nach. Erwin Pröll, nach dem Handschütteln und freundlichen Konversieren dann im Weiterschreiten: „Landeshirschen! Wieder was g’lernt. Gestern Abend hatten wir auch so einen, herrlich! Wie hat der gesagt? Lieber, guter Landesvater, sie sind a g’machtige Leut. Einer den man mag“, interpretiert Pröll.

Die Tour geht weiter – Niederösterreichs Landeshauptmann hatte es sich nicht nehmen lassen, einen Tag lang in Wien wahlkämpferisch beizustehen. Allerdings diesmal nicht in trauter, biosphärischer Eintracht mit seinem landesväterlichen Freund Häupl – sondern vielmehr ausgesprochen VP-parteifreundlich mit Johannes Hahn, dem „Gio“.

Mittagessen, ja oder nein

Treffpunkt des Morgens auf niederösterreichischem Gebiet – im Kindergarten am Bisamberg. „72 Euro für Ganztagsbetreuung – und die werden noch sozial gestaffelt“, rechnet Hahn das niederösterreichische Vorbild vor, „in Wien kostet die Ganztagsbetreuung dagegen 206 Euro, auch ohne Mittagessen – aber die Niederösterreicher können sich noch in der Früh entscheiden, ob sie Mittagessen wollen oder nicht.“

Empörung über Bim-Tarife

Das Thema Abgaben und Gebühren begleitet Hahn und Pröll an diesem Tag. Während der Weiterfahrt im Auto die Nachricht: Häupl habe eine Erhöhung der Straßenbahngebühren angekündigt. Hahn entwirft schon seine Aussendung: „Eine eigenwillige Strategie, den fußläufigen Arbeitsplatz zu propagieren. Die Autofahrer werden verhärmt, die Öffifahrer werden verhärmt.“ Und dann nach einer Pause: „Vielleicht erfinden sie ja noch die Gehsteig- Benützungsgebühr.“

Ob und wann die Tarife tatsächlich steigen, bleibt vorerst offen. Häupl hatte im Interview mit der Wiener Zeitung zum Thema Gebührenerhöhungen wörtlich erklärt: „Ehrlich gesagt, weiß ich das nicht einmal. Keine Ahnung.“ Der Kostendeckungsgrad betrage bei der Bim 27 Prozent. Häupl: „Man kann die Straßenbahn auch völlig kostenlos machen, aber irgendwer – und das wäre der Steuerzahler – muss sie bezahlen, sonst fährt keine.“

Bei den Schnitten

Dann der Betriebsbesuch bei der Manner- Fabrik. Hahn und Pröll erkunden mit grünen Mützchen am Kopf die Schnittenproduktion in historischem Rahmen. Der Betrieb in Hernals droht mit der Absiedlung nach Niederösterreich – sollte er komplett unter Denkmalschutz gestellt werden. Hahn zur möglichen Entscheidung des Bundesdenkmalamtes: „Das ist ja eine Kombination von Wiener- und Bundesdenkmalschutz. Also da müssen sich schon einmal die Wiener auf die Hinterfüße stellen. Da geht es um 450 Arbeitsplätze.“

Pröll indes kümmert sich um den Arbeitnehmerschutz: „Bringt’s mir die nette Frau da oben net um, wenn die den ganzen Tag derart unter Stress arbeiten muss.“ Der Megastress entstehe in der Ausnahmesituation, wird dem Landesvater erläutert: „Das ist wegen der vielen Blitzlichter vom Fotografieren. Da spielen die Fotozellen verrückt, die die ganze Anlage steuern.“

Der Wahlkampftross zieht weiter – während ein Teil der heute produzierten Schnitten wohl an die SPÖ-Zentrale geliefert wird. Die verteilen sie mit roten Pickerln drauf als Wahlgeschenke. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD Printausgabe, 01./02.10.2005)