Wien - Die Überraschungen sind am letzten Spieltag der Europa-Qualifikation für die Fußball-WM-Endrunde 2006 in Deutschland ausgeblieben. Der ehemalige Welt- und Europameister Frankreich qualifizierte sich mit einem souveränen 4:0-Heimsieg gegen Zypern ebenso als Gruppensieger wie Serbien-Montenegro dank eines 1:0 im brisanten Balkan-Duell mit Bosnien-Herzegowina. Schweden sicherte sich mit einem 3:1 gegen Island nach Polen als einer der zwei besten Gruppenzweiten ebenfalls das WM-Ticket.

Unter Druck stehen damit lediglich noch die Kaliber Spanien, Tschechien und Türkei, die als Gruppenzweite in die Barrage am 12. und 16. November müssen. Bei der Auslosung am Freitag (12:00 Uhr) in Zürich sind die drei Top-Nationen gegenüber der Slowakei, Schweiz und Norwegen allerdings gesetzt. Während die Spanier bei ihrem 6:0-Erfolg gegen San Marino vergeblich auf einen Umfaller der Serben gegen Bosnien hofften, zogen die Türken und Tschechen selbst den Kopf aus der Schlinge.

Frankreich feierte kurioserweise die erste überstandene WM-Qualifikation seit 20 Jahren. Für die beiden vergangenen Titelkämpfe waren die Franzosen als Gastgeber (1998) und Titelverteidiger (2002) jeweils fix qualifiziert, davor hatte die "Equipe Tricolore" die Qualifikation zwei Mal (1990, 1994) verpasst. "Die Erlösung", titelte die "L'Equipe" nach dem Kantersieg gegen Zypern und wusste, wo es Frankreichs Retter zu suchen hatte. "Nicht auszudenken, was aus den Blauen ohne Zinedine Zidane geworden wäre."

Der Regisseur hatte die "Grande Nation" nach seinem Team-Comeback im August wieder auf die Siegerstraße geführt, gegen Zypern das erste Tor selbst erzielt. Die Franzosen profitierten aber auch von einem torlosen Remis in Dublin zwischen Irland und der Schweiz, in dem sich Irland-Goalie Given mehrmals auszeichnete. "Ich habe derzeit zwei Herzen in meiner Brust. Eines trauert um die verpasste Qualifikation, die andere freut sich über die erbrachte Leistung", sagte der Schweizer Teamchef Köbi Kuhn.

In Belgrad schlug das Herz der 55.000 Zuschauer fast ausschließlich für die Serben, die mit nur einem Gegentreffer in zehn Quali-Spielen erstmals seit der Auflösung Jugoslawiens an einer WM-Endrunde teilnehmen. "Die Enttäuschungen der letzten Jahre sind verarbeitet", befand Mateja Kezman, der im politisch brisanten, aber fairen Duell mit Bosnien den entscheidenden Treffer markierte. Begeisterung auch in Schweden: "Nun kann Schweden sogar ein bisschen vom WM-Titel träumen", schrieb die Boulevardzeitung "Aftonbladet". Die Skandinavier hatten sich unter anderem in Wien auf die entscheidenden Spiele in Kroatien und gegen Island vorbereitet.

Etwas voreilig skandierten auch die türkischen Medien "Deutschland, wir kommen", nachdem der WM-Dritte von 2002 dank eines Tümer-Treffers (57.) in Albanien mit 1:0 gewonnen, seine Pflicht erfüllt und hinter Gruppensieger Ukraine Platz zwei einnahm. Dänemark und Europameister Griechenland sind damit bei der WM zum Zuschauen verdammt. Trotz der verpassten Qualifikation auf dem enttäuschenden vierten Gruppenplatz nur 15 Monate nach dem überraschenden EM-Titel in Portugal will ganz Griechenland den Deutschen Otto Rehhagel weiter als Teamchef.

Während die Tschechen ihren 3:0-Pflichtsieg in Finnland feierten und damit die WM-Hoffnungen Rumäniens ebenso zerstörten wie die Slowakei (mit den Rapidlern Peter Hlinka und Jozef Valachovic) mit einem torlosen Remis jene Russlands, zittert Spanien. "Die WM-Qualifikation ist ein Test der Konstanz, und die fehlt uns", brachte es Mittelfeldspieler David Albelda nach dem laut der Sporttageszeitung Marca "unnützen Kantersieg gegen San Marino" auf den Punkt.

Bei zahlreichen großen Turnieren waren die Iberer ihren hohen Erwartungen nicht gerecht geworden, hatten sich zuletzt auch für die EURO 2004 in Portugal erst nach einer Ehrenrunde gegen Norwegen (2:1 und 3:0) qualifiziert. Die Skandinavier mit Austria-Goalgetter Rushfeldt könnten wieder der Gegner sein, aber auch die anderen möglichen Gegner sind laut Teamchef Luis Aragones "immens schwer". In Spanien geht die Angst vor der ersten verpassten WM-Endrunde seit 1974 um und auch Marca fragte auf der Titelseite: "Donde vais?", quo vadis? (APA)