"Der Herausforderung, mit jemandem wie Lars von Trier arbeiten zu dürfen, kann man sich wohl kaum entziehen. Der Mann kreiert eine Konzentriertheit am Set, die mich keine Sekunde zögern ließe, sofort wieder mit ihm zu arbeiten."
Danny Glover über und in "Manderlay"

Foto: Viennale/Polyfilm
Hollywood-Star Danny Glover beehrt die Viennale mit einem Besuch, um Lars von Triers jüngsten Film "Manderlay" zu promoten. Claus Philipp sprach mit ihm über Verantwortung im Umgang mit fatalen Geschichtserfahrungen.


Wien – Wer hier zu Lande Danny Glover vor allem mit der Action-Kinoserie "Lethal Weapon" assoziiert (und vielleicht noch zuletzt seinen großartigen Part in Wes Andersons "The Royal Tenenbaums"), der wird der intellektuellen Band breite des afroamerikanischen Stars nicht gerecht.

Immer wieder tritt er aktiv für Menschenrechte und eine Aufarbeitung der finsteren Geschichte der Sklaverei in den USA ein. Bei Demonstrationen kann es schon vorkommen, dass er von der Polizei abgeführt wird. Dass er einen Part in Lars von Triers jüngstem Film "Manderlay", der Fortsetzung von "Dogville", übernommen hat, scheint insofern ganz logisch.

Es geht hier, wieder in einem fast theatralisch reduzierten Ambiente, einmal mehr um die prekäre Balance zwischen Unterdrückung und rassistischer Überheblichkeit, Ausbeutung und verquerer Hingabe. Von Triers Film hat in seinen Brecht'schen Verfremdungseffekten natürlich denkbar wenig gemein mit historischen Dramen aus Hollywood. Glover hat dies nicht davon abgehalten ...


DER STANDARD: Anfangs haben Sie, so hört man, gezögert, die Rolle eines Sklavenanführers in "Manderlay" zu übernehmen. Hing das zusammen mit Lars von Triers durchaus provokantem Versuch, die Opfer-Täter-Beziehungen stärker ineinan der verschlungen zu zeigen, als dies gemeinhin üblich ist?

Danny Glover: Lassen Sie es mich so sagen – man betritt, wenn man Fragen der Sklave rei verhandelt, ein höchst prekäres historisches Terrain. Und da drohen sich Provokationen oft bis zur Unkenntlichkeit zu verselbstständigen. Also war für mich gerade hier die Frage sehr entscheidend, wie ich hier als Schauspieler gewissermaßen eine Haltung, eine solide Basis einbringen kann, von der aus auch die gewagtesten Sprünge "produktiv" bleiben.

"Manderlay" ist ja nicht irgendeine Seifenoper, bei der Missverständnisse kaum ins Gewicht fallen. Es geht um Momente in der US-Geschichte, die viele Leute bis zur Gedächtnislücke hin verdrängt haben, die aber gleichzeitig bis zum heutigen Tag die Psychologie der schwarzen Minderheit zutiefst beeinflussen. Damit muss man verantwortungsvoll umgehen. Wie prekär die Lage heute noch ist, hat man ja jüngst rund um die Hurrikan-Katastrophe in New Orleans gesehen.

DER STANDARD: Was waren da Ihre persönlichen Eindrücke?

Glover: Die ganze Widersprüchlichkeit der US-Gesellschaft wurde, sowohl in den grauenhaften Wendungen, die dieses Ereignis einschlug, wie auch in den Reaktionen darauf sichtbar. Wie redet man heute über die reale Situation der Afroamerikaner? Schwindelt man sich nicht weiter um das wahre Ausmaß der Diskriminierung herum?

Andererseits ist es aber kein spezifisches Problem der USA, sondern wohl aller menschlicher Gesellschaften, dass es einfach schier unmöglich scheint, grauenhafte Aspekte ihres "Funktionierens" und ihrer Geschichte wahrzunehmen, geschweige denn auszusprechen. Siehe den Umgang der Deutschen mit ihrer Vergangenheit. Und da waren dann plötzlich Bilder aus New Orleans, wie ein Schock, in denen die Ungerechtigkeit quasi von selbst zu reden beginnt.

DER STANDARD: Was könnte ein Film wie "Manderlay" überhaupt beitragen zu einer notwendigen öffentlichen Diskussion in den USA? Ist das dort nicht eher ein Stoff, den die Medien leicht auf spezialisierte Cineasten und Programmkinobesucher "abschieben" können?

Glover: Natürlich existieren solche "Wände", hinter denen sich diejenigen einbunkern können, die die Wahrheit nicht wahrhaben wollen. Aber es ist ja klar, dass wir jetzt nicht von einem Tag auf den anderen irgendwelche Patrioten im Mittelwesten überzeugen können. Leute, deren Vorfahren noch Lynchmorde begangen haben. Die werden Filme wie "Dogville" nicht sehen, und sie würden sich darin wohl auch nicht wiedererkennen. Nicht umsonst werden in konventionelleren US-Filmen zum Beispiel Gangster, anders als in "Dogville", romantisiert. Damit können alle leben. Die wirkliche Brutalität der 30er-Jahre, wo zum Beispiel schwarze Arbeiter und Knechte de facto immer noch versklavt wurden, betrachtet man lieber durch die nostalgische Fettlinse.

DER STANDARD: Wie war eigentlich der Dreh mit Lars von Trier?

Glover: Alle Schauspieler waren während der ganzen Zeit am Set. Es war eher wie eine Theaterprobe. Ich komme ja selber aus dem Theater, und das war sicher eine gute Grundlage für mich. Insgesamt taten sich aber vermutlich die britischen Schauspieler am leichtesten mit diesem speziellen Stil, der ja auch an englische TV-Theateradaptionen angelehnt ist. Amerikanische Schauspieler sind so etwas kaum gewohnt.

DER STANDARD: Sie selbst scheinen kaum Probleme zu haben, Ihren "guten" Ruf zu riskieren.

Glover: Der Herausforderung, mit jemandem wie von Trier arbeiten zu dürfen, kann man sich wohl kaum entziehen. Der Mann kreiert eine Unmittelbarkeit und Direktheit am Set, eine Konzentriertheit, die mich keine Sekunde zögern ließen, sofort wieder mit ihm zu arbeiten.

DER STANDARD: Es gab am Set von "Manderlay" Konflikte, als ein Esel geschlachtet wurde. Der Schauspieler John C. Reilly legte seine Rolle zurück. Was meinten Sie?

Glover: Na ja, das lief ein wenig an mir vorbei. Menschenrechte waren mir bis dato einfach wichtiger als die sicher auch notwendigen Appelle der Tierschützer.

DER STANDARD: Was haben Sie mit dem Begriff "Manderlay" assoziiert? Daphne du Mauriers "Rebecca"?

Glover: Darüber habe ich eigentlich gar nicht nachgedacht. Sicher, in dem Wort schwingt eine Art romantischer Vision mit. So wie in dem Song "The Road to Mandalay ..." Das evoziert natürlich eine Art von Widerspruch zu dem, was wirklich passiert. Ich bin jetzt jedenfalls sehr gespannt, was da noch auf mich zukommt an Diskussionen, wenn der Film ins Kino kommt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.10.2005)