Ursula Stenzel hat als wahlkämpfende VP-Anwärterin für das erste Amt im ersten Wiener Gemeindebezirk mit ihrer Forderung nach einer Zutrittsbeschränkung für Parks und gegen öffentliche Veranstaltungen für Verstimmung gesorgt – und damit eine kleine Machtdemonstration dargelegt. Nicht ohne Grund, kann doch ein Bezirksvorsteher einigen Einfluss ausüben, wenn auch nur in seinem lokalen Mikrokosmos.

Bürgernähe

Meist ist aber ein anderes Gesicht des Bezirksvorstehers vorherrschend: Unermüdlich Bürgernähe ausstrahlend, versäumt er kein Kinderfest, keine Lokaleröffnung oder Radwegfreigabe. „Der Bezirksvorsteher übt vor allem eine Repräsentationsfunktion aus. Da gerade die SPÖ-Bezirksvorsteher meist auch hochrangige kommunale Parteifunktionäre sind, können sie Lobbying betreiben und zur Profilierung der eigenen Fraktion beitragen“, schätzt der Politologe Fritz Plasser die Bedeutung der „Bezirksgranden“ ein.

Die Entscheidungskompetenz in den Bezirke ist begrenzt und reicht von der Instandhaltung von Schulen, Kindergärten, Märkten, Friedhöfen und Amtsgebäuden, über die Gestaltung von Verkehrsflächen, Grünanlagen und Spielplätzen bis zur Regelung von Kulturangelegenheiten und Bereitstellung städtischer Bedürfnisanstalten. Das mindestens vierteljährlich einberufene Bezirksparlament, die Bezirksvertretung, wird direkt von der Bevölkerung gewählt und umfasst zwischen 40 und 60 Bezirksräte – die meist ein Dasein abseits der öffentlichen Wahrnehmung fristen. Die Bezirksräte wählen den Bezirksvorsteher und seine zwei Stellvertreter, wobei der Vorsteher und sein erster Stellvertreter stets von der stimmenstärksten Partei gestellt werden.

150 Millionen Euro zu vergeben

Insgesamt stehen den 23 Bezirken im Jahr 2005 150 Millionen Euro zur Verfügung, das entspricht gerade einmal 1,6 Prozent des Gesamtbudgets der Stadt. Diese Summe wird nach einem komplexen Schlüssel verteilt, wobei heuer der 22. Bezirk mit 16, 5 Mio. Euro am meisten, der 8. Bezirk mit 2,1 Mio. Euro am wenigsten bekam. Wie das Geld verwendet wird, liegt zu einem Großteil im Ermessen des Bezirksvorstehers.

Er selbst verfügt über ein Grundeinkommen von 9040,90 Euro brutto. Als Teil der Bezirksvertretung entscheiden Finanz-, Bau- und Umweltausschuss sowie eigens eingesetzte Kommissionen über die Umsetzung von Vorhaben. Da diese meist das unmittelbare Umfeld der Bürger betreffen, erfülle der Bezirksvorsteher für viele die Funktion des Ombudsmanns, der für Anliegen und Beschwerden ein offenes Ohr hat, meint Plasser. „Bezirkskaiser“ obsolet Gemessen an der Zahl der vertretenen Menschen, ist der Bezirksvorsteher tatsächlich ein kleiner Bürgermeister. So hat beispielsweise Favoriten mit rund 160.000 Einwohnern eine größere Bevölkerung als viele Landeshauptstädte.

Das Klischee des allmächtigen „Bezirkskaisers“ treffe jedoch heute nicht mehr zu, so Plasser – „obwohl das wahlpolitische Gewicht der sozialdemokratischen Bastionen durchaus über die Bezirksgrenzen hinausreicht und Bezirksvorsteher Schlüsselpersonen in der Stadtpolitik sein können.“ (DER STANDARD Printausgabe, 24. 10. 2005)