Quelle: SORA
Vielleicht ist ja vieles einfach von vorneherein zu klar erschienen - damit zumindest erklärt das Wiener Sora-Institut die geringe Wahlbeteiligung und das Abschneiden der SPÖ, die die angestrebte absolute Stimmenmehrheit mangels Mobilisierung doch recht deutlich verfehlt hat. Die Bürgermeister-Partei hat 3221 Wähler weniger ansprechen können als 2001. Dass sie 2,18 Prozentpunkte gewonnen hat, ist eher Folge der massiven Wahlenthaltung.

Unterschiedliche Berechnungsmodelle zeigen, dass die "Partei der Nichtwähler" der größte Gewinner der Wahl war: Laut Sora, dessen Wählerstromanalyse das Modell der ORF-Hochrechnung darstellt, sind der SPÖ 76.000 Wähler an das Lager der Nichtwähler verloren gegangen. Das wäre mehr als jeder fünfte SPÖ-Wähler der letzten Wahl. Der deutsche Experte Andreas J. Kohlsche (Institut für Wahl-, Sozial-, und Methodenforschung) sieht einen deutlich kleineren Verlust von nur 16.000 SPÖ-Stimmen an die Nichtwähler - sein Befund, dass die fiktive Nichtwähler-Partei die größten Gewinne einstreifen konnte, deckt sich aber mit dem von Sora.

In Kohlsches Modell ist der größte Wählerstrom jener von der FPÖ an die Nichtwähler - ihm zufolge wären 30.000 freiheitliche Wähler des Jahres 2001 diesmal gar nicht zur Wahl gegangen, im Sora-Modell sind es immerhin 29.000.

In absoluten Zahlen sind - wie die Tabelle auf Seite 5 zeigt - die Grünen und die ÖVP mit jeweils rund 10.000 Wählern mehr als 2001 die größten Gewinner, gefolgt von der Neugründung BZÖ (von null auf 7824) und der KPÖ (plus 5403).

Die Grünen haben nach den Wählerstromanalysen die höchste Behaltequote. Das heißt: 78 Prozent derjenigen, die 2001 Grün gewählt haben, haben das auch am Sonntag wieder getan. Kohlsche rechnet vor, dass die Grünen auch vom Ende des LIF nach der Wahl 2001 profitiert haben; sie konnten 4100 Wähler der Liberalen an sich binden. 4700 Grünwähler des Jahres 2001 sind laut Kohlsche diesmal zu Hause geblieben. Sora nimmt da einen größeren abwandernden Wählerstrom von 13.000 an, sieht aber auch 7000 frühere Nichtwähler neu in der grünen Wählerschaft.

Die ÖVP konnte laut Sora - das die Grundlage für die Grafik auf dieser Seite lieferte - zwei Drittel (81.000) ihrer Wähler und Wählerinnen von 2001 wieder für sich mobilisieren. Weitere 23.000 der ÖVP-Wähler von 2001 (das sind 19 Prozent) wählten dieses Mal SPÖ. Die ÖVP verlor zudem laut Sora 7000 Stimmen an die FPÖ, konnte im Gegenzug aber 12.000 ehemalige freiheitliche Wähler für sich gewinnen. 5000 der ÖVP-Wähler von 2001 haben sich dieses Mal für die Grünen entschieden, etwa ebenso viele sind nicht zur Wahl gegangen.

Freiheitliche daheim

Großer Verlierer ist in allen Modellen, aber auch absolut die FPÖ: Ein knappes Fünftel ihrer früheren Wähler ist diesmal daheim geblieben. Beinahe ebenso viele Wähler - rund 27.000 - sind laut Sora von der FPÖ zur SPÖ gewandert, weitere 12.000 zur ÖVP. Von diesen beiden Parteien hätte die FPÖ allerdings auch jeweils rund 7000 Wähler des Jahres 2001 gewinnen können.

Kohlsche, der insgesamt kleinere Wählerbewegungen sieht als seine Kollegen von Sora, sieht den größten Strom freiheitlicher Wähler ganz anders verteilt, nämlich von der FPÖ zur ÖVP mit 7900 Stimmen.

Die SPÖ hat nach der Analyse von Kohlsche nennenswert an Grüne (3800 Stimmen) und KPÖ verloren (1300). Unterstützung gewonnen haben die Sozialdemokraten von früheren Wählern des Liberalen Forums (3200).

Sora rechnet auch hier anders: Die SPÖ verlor demnach vor allem 22 Prozent ihrer alten Wähler an die Nichtwähler - dem stehen 23.000 gewonnene Nichtwähler gegenüber. Die höchsten Zugewinne konnte die SPÖ von der FPÖ holen, sie gewann 18 Prozent der ehemaligen FPÖ-Wähler. (DER STANDARD, Conrad Seidl, Printausgabe, 25./26. Oktober)