Madonna
"Confessions On A Dance Floor" (Warner)

Foto: Warner
Nächste Woche erscheint Madonnas neues Album "Confessions On A Dance Floor". Darauf will die 47-jährige Pop-Diva noch einmal vehement ihre Jugend in der Disco zelebrieren. Das geht nicht gut.


Es beginnt mit dem Anfang. Und der muss im Pop bekanntlich sehr, sehr nachdrücklich kommen. Ökonomie der Aufmerksamkeit. Deshalb muss man im Vorfeld der Veröffentlichung eines neuen Albums der rüstigen Pop-Diva Madonna nicht nur darüber lesen, dass sich die gute Frau nicht nur seit Jahren sehr intensiv mit der Kabbala beschäftigt. Aber hallo! Oder man bekommt medial gesteckt, dass sie sich gerade wieder einmal scheiden lassen, jedenfalls aber auf alte Tugenden oder neue Werte auch bezüglich ihres in der Klatschpresse zum künstlerischen Abfallprodukt verkommenen Bereichs der Musik konzentrieren will. Wie geil ist das denn?!

Beim Hören von Hung Up, der ersten Single aus dem am 11. November rechtzeitig zum Faschingsbeginn (Alles ist möglich!) erscheinenden neuen Album Confessions On A Dance Floor, wird auch wieder einmal mit Mediengetöse eine alte und lange Zeit gültige Behauptung formuliert: Madonna, so heißt es, mag zwar keine originäre Künstlerin im klassischen Sinne sein. Immerhin bewegt sie sich abseits eines seit jeher umstrittenen eigenen "Songwritings" aber auf ähnlichen Bahnen wie seinerzeit etwa ein David Bowie. Je nach Gusto fungieren/fungierten beide lange Zeit als Trendkatalysatoren oder Stilstaubsauger, die in ihrer Hochzeit noch so gut wie jede aufkommende neue Trendsportart aus dem erweiterten Kulturbegriff in eigenen Produkten auf den Punkt und auf den Markt zu bringen vermochten.

Sei es Anfang der 80er-Jahre die Abfeierung rein hedonistischer Disco und über all die folgenden Jahre herauf über glücklich, melancholisch und feministisch Tanzen bis zu Pop und Porno und über sperrige Elektronik Marke Björk bis zum letzten Aufbäumen des Musicals mit Madonna als Evita: Das alles war schon einmal Abbild herrschender Zustände.

Dass aber Madonna jetzt in ihren späten Jahren noch einmal ausgerechnet zu ihren so genannten Ursprüngen zurückkehrt und in den zwölf Songs von Confessions On A Dance Floor ausgerechnet in jenen Großraum-Discos Heimat ortet, in denen sie sich vor gut einem Vierteljahrhundert die Seele aus dem Leib tanzte, um mit allen Mitteln von dort weg zum globalen Erfolg zu kommen, erschreckt dann doch sehr. Zurück zu den Wurzeln eines neben Michael Jackson oder Prince letzten großen Pop-Hybrids der 80er-Jahre?

Hung Up basiert neben einem heute obligatorischen Bass-Rumms nicht nur auf einem bei der schwedischen Pop-Maschine Abba offiziell erbettelten Sample des auf dem pop-historischen Irrtum einer hier eingesetzten Flöte basierenden 70er-Disco-Songs Gimme Gimme Gimme (My Man After Midnight). Der wurde Ende der 80er-Jahre von den schwulen schwedischen Ledersex-und Mopedrockern The Leather Nun auf dem Album Steel Construction ohnehin schon für alle Zeiten gültiger und delikater verhandelt. Dass ausgerechnet Madonna auf ihre alten Tage den klinisch kalten Saubermann-Sex von Abba für einen Dancefloor-Hadern bemüht, der noch dazu in seinem Bass-Motiv auf dem Yuppie-Evergreen Blue Monday von New Order beruht, und ihr dazu nicht mehr einfällt als darüber zu singen, wie die Zeit doch vergeht, damit kann man heute höchstens noch Kinder aus den geburtenschwachen Jahrgängen zwischen 1985 und 1995 beeindrucken - oder alte Fans, die jetzt mit 40 in den Zeiten der Wind-, Wetter- und Wirtschaftskrisen entdecken, dass früher alles besser war.

In diesem Stil geht es weiter. Gemeinsam mit ihren alten Produzenten Mirwais und Stuart Prize und den neuen Kräften vom Murlyn Music Collective wird in Future Lovers nicht nur Donna Summers I Feel Love bemüht oder in I Love New York Iggy Pops Punkhadern I Wanna Be Your Dog Richtung Elektro-Keule gedeutet. Auch besagte New Order in ihrer Ibiza-Phase könnten sich wegen Madonnas Sorry ebenso beklagen wie hier gleich zweimal bei Depeche Mode abgekupfert wird: Like It Or Not und How High.

Die Moderne gastiert nur zwei Mal auf diesem Album: In Isaac darf Madonnas Lieblings-Rabbi zur schicken Orient-Disco psalmodieren, in Push wird Missy Elliott Richtung Emirate geschickt. Die Tracks dieses balladenlosen und das eigene biologische Alter verzweifelt verweigernden Tanzbodenknallers fließen ohne Pause ineinander. Damenwahl! Wir winken ab. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.11.2005)