Paris - Der französisch-belgische Schriftsteller François Weyergans erhält in diesem Jahr Frankreichs angesehensten Literaturpreis Prix Goncourt. Weyergans wird für den Roman "Trois jours chez ma mère" geehrt, wie die Jury am Donnerstag bekannt gab. Damit geht der als Favorit gehandelte Skandalschriftsteller Michel Houellebecq erneut leer aus. Der parallel verliehene Prix Renaudot geht an Nina Bouraoui für "Mes mauvaises pensées".

Der 47 Jahre alte, auch außerhalb Frankreichs viel gelesene Houellebecq hatte mit seinem futuristischen Roman "Die Möglichkeit einer Insel" ("La possibilité d'une île") als großer Favorit für den Goncourt 2005 gegolten. Er hatte im Stechen gegen Weyergans mit vier zu sechs Stimmen das Nachsehen. Schon 1998 hatte die Preisjury seinem Roman "Elementarteilchen" in buchstäblich letzter Runde ihre Gunst verweigert. Das Buch wurde ein internationaler Bestseller.

Geschichte von Istanbul

"Le Roman de Constantinople" (Der Roman von Konstantinopel, Edition Le Rocher) des französischen Journalisten und Romanciers Gilles Martin-Chauffier ist am Donnerstag mit dem Renaudot-Literaturpreis für den besten Essay ausgezeichnet worden. "Ich bin sehr froh und versichert, denn es ist ein Buch, das die Geschichte von Istanbul erzählt und den EU-Beitritt der Türkei sehr befürwortet", erklärte der prämierte Autor, für den sechs der zehn Jury-Mitglieder stimmten.

"Man glaubt, dass die Franzosen gegen den EU-Beitritt der Türkei sind, aber nein, heute gab es eine Versammlung von zehn rechten und linken Schriftstellern, und sie ließen sich überzeugen von dem, was ich sage, von meinen kulturellen und historischen Argumenten", betonte Martin-Chauffier und fügte hinzu: "Konstantinopel war lange Zeit die wahre Hauptstadt Europa, es war immer im Zentrum des Schicksals Europas." Martin-Chaufier ist Journalist beim Pariser Wochenmagazin "Paris-Match".

Höhepunkt in Frankreichs Bücherherbst

Die doppelte Vergabe von Renaudot und Goncourt ist traditionell der Höhepunkt in Frankreichs Bücherherbst. Zum Auftakt der Preissaison hatte die französische Schriftstellerin Henriette Jelinek vergangene Woche für "Le Destin de Iouri Voronine" den Großen Romanpreis der Académie française erhalten.

Im vergangenen Jahr war der Goncourt an den jungen Theater- und Romanautor Laurent Gaudé für "Le soleil des Scorta" gegangen. Das Buch erscheint im Dezember unter dem Titel "Die Sonne der Scorta" auf Deutsch. Den Renaudot-Literaturpreis erhielt damals, mehr als sechs Jahrzehnte nach ihrem Tod im NS-Konzentrationslager Auschwitz, die französische Autorin Irène Némirovsky für den Roman "Suite française". (APA)