STANDARD: Volkstheaterdirektor Michael Schottenberg ließ die Holztäfelungen des 1938 eingerichteten Hitlerzimmers abmontieren, obwohl er damit bewusst gegen Auflagen des Denkmalamtes verstieß. Warum hatte das Denkmalamt kein Einsehen? Der Raum war ohnedies nicht zugänglich. Eva-Maria Höhle: Die öffentliche Zugänglichkeit ist kein Kriterium für den Denkmalschutz. Denken Sie an private Schlösser, Bauerhäuser, Klöster! Das Volkstheater steht mit allen späteren Veränderungen unter Denkmalschutz. Man nennt so etwas den "gewachsenen Zustand". Also inklusive des Hitlerzimmers, auch wenn dieses im Denkmalschutzbescheid nicht expressis verbis erwähnt ist. Bei der Generalsanierung 1981 gelangte man mit der damaligen Theaterleitung zur Auffassung, dass das Hitlerzimmer als Jahresring des Hauses zu erhalten ist. STANDARD: Der Wiener SP-Planungsstadtrat Rudolf Schicker stellte sich hinter Schottenberg: "Ein Zimmer, das zu Hitlers Ehre errichtet wurde, aus genau diesem Grund als erhaltenswert einzustufen ist skurril und gefährlich." Das grenze an "Revisionismus". Es sei auch Aufgabe des Denkmalamtes, die politische Dimension zu sehen. Höhle: Wir sehen sehr wohl diese politische Dimension! Jedes Objekt ist ein Zeugnis seiner Zeit. Wir erhalten auch die Hofburg - und zwar nicht, weil wir glühende Monarchisten wären. Man muss sich zu seiner Geschichte bekennen. Bauwerke aus einer Zeit, die man eigentlich nicht gerne in Erinnerung hat, haben daher umso mehr Bedeutung. Wenn Objekte aus der NS-Zeit unter Schutz gestellt werden, dann nicht zuletzt deshalb, weil damit auch Denkanstöße für die Zukunft erhalten werden. Schottenberg hat mit dem Abriss dieses Zimmers genau das Gegenteil dessen getan, was er erklärtermaßen tun wollte, denn er verhindert mit der Vernichtung die Erinnerung für die Zukunft. Lenin-Denkmäler wurden vom Sockel gekippt, die Berliner Mauer wurde geschleift. Das passiert als spontane Reaktion und darf nicht verwechselt werden mit Maßnahmen, die Jahrzehnte später gesetzt werden sollen im Sinne einer Geschichtskorrektur. Denn dann gehören die Objekte bereits zur Geschichte dazu. Dieser Unterschied dürfte Schottenberg nicht klar sein. STANDARD: Schicker führt als weiteres "bedenkliches" Beispiel das Wartehäuschen vor dem Hotel Bristol an, das unlängst mit der Begründung, es sei das erste öffentliche Gebäude nach der Machtergreifung, unter Schutz gestellt wurde. Höhle: Das ist nicht korrekt. Es wurde unter Schutz gestellt, weil es sich um ein architektonisch charakteristisches Objekt aus der Zwischenkriegszeit handelt. Die Begründung hat rein gar nichts mit der NS-Zeit zu tun. Ein Foto beweist, dass es das Häuschen bereits 1928 gab. STANDARD: Das Denkmalamt sprach sich gegen eine Aufstockung des Flakturms im Augarten aus, der als Datenspeicher verwendet werden soll. Das Bildungsministerium als übergeordnete Dienststelle billigt das Vorhaben. Sind Sie enttäuscht? Höhle: Es ist noch keine endgültige Entscheidung gefallen. Denn es fehlt z. B. die Baubewilligung. Ich halte die Flaktürme für wesentliche Monumente der NS-Zeit. Es geht uns darum, die Identität der Bauwerke als Mahnmale zu erhalten. Zubauten können zu einer sehr starken Identitätsänderung dieser Objekte führen. (ALBUM/DER STANDARD, Printausgabe, 5./6.11.2005)