Die neuen Medientechnologien haben für den Innsbrucker Erziehungs- und Medienwissenschafter Theo Hug nicht nur neue Formen des Lernens und Lehrens gebracht, sondern auch eine große gesellschaftspolitische Herausforderung: "Der Umgang mit der Teilung der Gesellschaft in Programmierer und Programmierte." Seine Zukunftsvision heißt Überwindung der bildungsbedingten Klüfte und diskursiven Zwänge durch Medienkompetenz für alle. Der Weg dazu ist jener der kleinen Schritte.

Abgekürzt werden könnte er durch die Umsetzung seiner "Technofantasie" von den kleinen Lerneinheiten, die automatisch zu den Lernenden kommen - am Kaffee- oder Bankautomat, im Auto oder in der U-Bahn, über das Handy und den Fernseher. Microlearning potenziell immer und überall. Integration des Lernens in den Alltag. "Dazu hat man dann einfach eine Karte, einen Code und erhält überall, wo kleine Lerneinheiten eingebaut werden können, Zugang zu seinen individuellen Lernprogrammen."

Das Schlagwort der Medienkompetenz werde zwar in allen Disziplinen und Branchen diskutiert, "aber jeder versteht was anderes darunter", sagt Theo Hug. Im schulischen Bereich beschränke man sich auf das Erlernen technischer Kompetenzen, es müsse aber darum gehen "die Welt lesbar zu machen". Indem man die großen Zusammenhänge transparent und damit nachvollziehbar mache, die Entwicklungen aufzeige. Das Ziel des Universitätsprofessors ist Selbstbewusstsein und Eigenkompetenz der Lernenden, ihr Mitgestalten. Im Rahmen der Research Studios Austria sind Hug und sein Wissenschafter-Team der Umsetzung der Technofantasie schon recht nahe. Ihr Innsbrucker Studio eLearning Environments hat ein Patent zum Lernen entwickelt. Knowledge Pulse® ist ein innovatives Produkt, das an die unterschiedlichsten Lernsituationen gezielt angepasst werden kann. Vom eLearning im herkömmlichen Sinn, das traditionelle Lern-und Trainingsmethoden auf neue Medientechnologien überträgt, wolle man sich klar abheben. Wie funktioniert nun das Innsbrucker Patent?

Portioniert lernen

Nicht ganz wie "Lernen im Schlaf", aber fast. Kleinste Lerneinheiten kommen automatisch zum Lernenden und zwar über den PC, das Handy oder den Bildschirmschoner. Der Knowledge Pulse®, 2003 zum Patent angemeldet, initiiert regelmäßig Lernsituationen bei den Lernenden, das Lernen wird mühelos in den Alltag eingebaut. Da werden den Wissbegierigen Phrasen oder Vokabeln zum Übersetzen serviert, Lehrsätze oder Formeln abgefragt, das Pausenbild des PCs wird zum "Lernschoner".

Über den Tag verteilt ergeben sich etwa 20 Lernaktivitäten so ganz nebenbei. Theo Hug: "Durch Mikrolernen wird der Lernprozess unterstützt. Man kommt leichter in den Prozess hinein, und man bleibt dann auch im Lernfluss." Wenn der Prozess gelingt, entsteht ein "Learning flow". Der jeweils nächste Lernschritt wird vom Micro- step Manager® vorgeschlagen, der aufgrund der Antworten den Wissensstand speichert und mit einem speziellen Lernalgorithmus verarbeitet. Das Lerntempo wird so individuell abgestimmt.

Mit integriertem Mikrolernen lassen sich nicht nur "lose Puzzelsteinchen" lernen, sondern auch abstrakte Inhalte, sagt Hug. So könne man die Lernmethode den Bedürfnissen von Firmen anpassen - etwa um Inhalte zu neuen Produkten oder rechtliche Änderungen zu vermitteln. "Für manche Politiker wäre integriertes Lernen auch nicht schlecht", so Hug. Aber da wären wir wieder bei der Erfinder-Fantasie. (Jutta Berger/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7. 11. 2005)