Wien - "Allgemein ist bekannt, dass Schwarzafrikaner mit Drogen handeln" ist kein Satz eines FPÖ-Politikers, sondern der Beginn einer Frage an den Angeklagten.

Richter Bernhard Kucera will nämlich vom 18-jährigen Idawo E. wissen, warum der bei zwei Raubüberfällen in Wien mitgemacht hat. Der Nigerianer sitzt gemeinsam mit Pimea K. aus Liberia im Saal 106 des Landesgerichts und versucht zu erklären. Warum er bei einem Trafikraub im Dezember 2004 dabei war, auch noch beim ersten Überfall mit einer Eisenstange auf einen Postboten am 7. Jänner 2005 - und dann nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte.

Schädelbrüche

"Ich habe nicht gewusst, dass er wirklich so zuschlägt", verteidigt sich der junge Mann und versucht so, den Vorwurf des Mordversuchs zu entkräften. Denn als solchen stuft Staatsanwalt Peter Losert die ausnehmend brutalen Attacken auf drei Briefträger in Wiener Hausfluren ein - jedes der Opfer erlitt unter anderem Schädelbrüche.

Er sei von Pimea K. dazu überredet worden, beteuert Idawo E. am Donnerstag. Dass er am Trafikraub und am ersten Überfall beteiligt war, gesteht der mit einem Aufenthaltsverbot belegte Asylwerber, der seinen späteren Komplizen in der Schubhaft kennen gelernt hat, aber ohne Zögern ein. Bei den beiden anderen Überfällen weiß auch die Anklage nicht, wer der Mittäter war.

Nicht beteiligt

Auch der 37 Jahre alte Hauptangeklagte will aber an allen Delikten entweder gar nicht oder nur ein bisschen beteiligt gewesen sein. Trafikraub? War er nicht. Erster Raubüberfall? Er sei nur mit Idawo K. und seinem Cousin mitgegangen und hatte an einer Telefonzelle uriniert, als die beiden schon mit der Beute kamen. Zweiter Raubüberfall am 8. Februar in Wien- Leopoldstadt? Ja, dass sei er gewesen, aber er wollte die 29- jährige Zustellerin mit einem Holzknüppel nur auf die Schulter schlagen. Dritter Überfall? Er habe nur Aufpasserdienste geleistet.

Wie sein Fingerabdruck, mit dessen Hilfe der sechsfach Vorbestrafte schließlich überführt werden konnte, auf das beim ersten Überfall verwendete rund 40 Zentimeter lange Eisenrohr gekommen ist, kann er sich nicht erklären. Warum er nach seiner Verhaftung völlig Unschuldige verleumdet und als Mittäter bezichtigt hat schon: Die Polizeibeamten hätten ihn geprügelt und seinen Kopf unter Wasser getaucht. Seine Glaubwürdigkeit leidet allerdings etwas: Zwei Entlastungszeugen, deren Vorladung er lauthals fordert, konnte die Exekutive nicht finden. In dem kleinen zweistöckigen Haus, in dem er sie mehrmals besucht haben will, leben seit Jahren die selben drei Mieter. Am Freitag soll ein Urteil fallen. (Michael Möseneder, DER STANDARD Printausgabe, 11.11.2005)