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Foto: AP/Schalk
New York - Dave Brubeck startet seine Europa-Tournee am 16. November in Nürnberg mit einem Sonderkonzert zum Gedenken an die Kriegsverbrecherprozesse, die am 20.11. vor 60 Jahren begannen. Der Jazz-Pianist war nach Kriegsende als Soldat in Nürnberg stationiert. Im Rahmen seiner Tournee, während der er am 6. Dezember seinen 85. Geburtstag feiert, tritt Brubeck im November und Dezember auch in Österreich auf.

Seine Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg haben Brubeck nie losgelassen und sein Werk entscheidend beeinflusst. Im vergangenen Jahr veröffentlichte er ein Album mit dem Titel "Private Brubeck Remembers", die auch von seiner Stationierung als Soldat in Nürnberg nach Kriegsende handelte. "Wir wissen, dass sich Dave Brubeck im Kampf für Toleranz, Frieden und Menschenrechte eingesetzt hat", erklärte der Leiter des Nürnberger Menschenrechtsbüros, Hans Hesselmann, "Als wir hörten, dass er als GI kurz nach dem Krieg nach Nürnberg kam, hier musizierte und sich für die Kriegsverbrecherprozesse interessierte, haben wir versucht, ihn für ein Sonderkonzert mit seinem Quartett und eine Diskussion über seine Erfahrungen hier zu gewinnen."

Erinnerungen an das Kriegsende

Brubeck kam bereits im Sommer 1945 nach Nürnberg. Er war damals 24 Jahre alt. "Wir folgten den Bulldozern in die Stadt, jede Straße war mit Trümmern übersät", erinnert er sich. "Die SS hatte beschlossen, bis zuletzt in der Altstadt zu kämpfen, die deshalb am meisten bombardiert wurde. Glücklicherweise wurde die Oper nicht allzu schwer getroffen, und wir begaben uns direkt dorthin, um zu proben, unsere Instrumente unterzubringen und als Quartier zu benutzen, bis wir einen anderen Platz fanden, der eher einer Kaserne entsprach."

In der Stadt, deren Name mit den martialischen Reichsparteitagen der Nationalsozialisten und deren Rassengesetz von 1935 verbunden war, setzte Brubeck ein besonderes musikalisches Zeichen: Am 1. Juli 1945 spielte er mit seiner Band Wolf Pack zur Wiedereröffnung des Opernhauses populäre Standards. Er führte damals auch einige seiner ersten Kompositionen auf, darunter "We Crossed the Rhine", das er zum Rhythmus von über Stahlpontonbrücken bei Remagen fahrenden Militärlastern komponierte.

"Eine Diktatur wird normalerweise verhindern, dass Jazz gespielt wird"

Das Jazz von den Nationalsozialisten verboten wurde, wundert ihn nicht. "Jazz ist Freiheit in den Grenzen von Disziplin", erklärt er. "Eine Diktatur wie die Sowjetunion oder (das nationalsozialistische) Deutschland wird normalerweise verhindern, dass Jazz gespielt wird, weil er Freiheit und Demokratie in den Vereinigten Staaten repräsentiert. Viele verstehen nicht, wie diszipliniert man sein muss, um Jazz zu spielen - und das ist in der Tat der Grundgedanke der Demokratie: Freiheit innerhalb der Verfassung oder Disziplin."

Neben seiner Laufbahn als Jazzmusiker entwickelte sich Brubeck zu einem angesehenen Komponisten sakraler Musik. Erst vor wenigen Monaten vollendete er die Chor-Fuge "Die Gebote", deren erste Skizzen er als von den eigenen Linien abgeschnittener Soldat während der deutschen Ardennenoffensive entwarf. "Ich wusste, dass ich über religiöse Themen schreiben wollte, als ich Soldat im Zweiten Weltkrieg war", erklärt Brubeck, der zum Katholizismus konvertierte. "Ich sah und erlebte so viel Gewalt, dass ich dachte, ich muss meine Empörung in Musik ausdrücken. Es ist eine Situation wie in den Ardennen, in der man wirklich darüber nachdenkt, was Gott uns versuchte zu sagen... Ich schrieb schließlich 'Die Gebote', wissend, dass in jedem Krieg die meisten Gebote gebrochen werden."

Die Tournee führt Brubeck und sein Quartett durch sechs Länder; bei den 17 Konzerten wird er teilweise von Kammer- und Symphonieorchestern begleitet. Emotionaler Höhepunkt dürfte das Konzert im Londoner Barbican Centre am 6. Dezember werden, bei dem neben seinem Quartett das Londoner Symphonieorchester und vier seiner Söhne auftreten werden. Sie wollen ihrem Vater ein besonderes Geburtstagsständchen bringen: "From All of Us."(APA/AP)