Simone Young wollte unbedingt Dirigentin werden: "Mich hat gestört, dass ich als Korrepetitorin die Verant- wortung für die Musik nicht bis zum Schluss hatte, nicht bis zur Vorstellung. Das war mir zu fad."

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Ljubisa Tosic im Gespräch mit der Dirigentin über Langeweile, Risiko, Verantwortung.

Wien – Wenn sie an den großelternlichen Teil ihrer Familie denkt, der einst aus Irland und Kroatien nach Australien aufbrach, muss Simone Young noch immer über die Reisefreudigkeit staunen. Umgekehrt allerdings müsste die Großeltern auch ein gewisser Respekt überkommen, wenn sie sich die vielen Kilometer vergegenwärtigen, die Young im Laufe der letzten 20 Jahre zurücklegte, nachdem sie Australien verlassen hatte.

Da waren zunächst einige Monate in Salzburg zwecks Sprachstudium. Danach ging es nach Deutschland, Frankreich, England und Amerika. Schließlich wurde Young Chefin der Oper von Sidney. "Da kamen schon Sehnsüchte nach Sesshaftigkeit auf."

Doppelfunktion

Die Phase, "die es natürlich geben musste", ist nach 13 Jahren beendet. Young ist seit Kurzem Chefin der Hamburgischen Staatsoper – als Intendantin und Musikchefin: "Ich wollte diese Doppelfunktion, ich wollte nur mit mir selbst streiten. Der Zwist mit anderen ist mir zu anstrengend." Young übernahm ein sehr erfolgreiches Opernhaus, das von den Inszenierungen Peter Konwitschnys geprägt war. "Die behalten wir im Repertoire. Ich will aber die musikalische Seite mehr betonen, und das ist keine Kritik an meinem Vorgänger Ingo Metzmacher. Er hat das Publikum offener gemacht. Aber ich setze andere Schwerpunkte. Bei den Sängern habe ich ein Ensemble aufgebaut, damit ich die mittleren Partien gänzlich aus dem Haus besetzen kann."

Natürlich gibt es auch Stars: Plácido Domingo wird den Parsifal singen. Und Kooperationen mit der Wiener Staatsoper werden angedacht. Damit sich alles finanziell ausgeht, hat sie sich eine Erhöhung der Subventionen ausbedungen, auch die Erweiterung des Orchesters. Allerdings: "Die Sparspielchen werden sicher noch kommen. Da mache ich mir keine Illusionen."

Verkehrspolizistin

Blickt sie zurück auf ihre Anfänge, verneint sie, dass es für sie schwer gewesen sei, Dirigentin werden zu wollen: "Ich wollte das einfach. Mich hat gestört, dass ich als Korrepetitorin die Verantwortung für die Musik nicht bis zum Schluss hatte, nicht bis zur Vorstellung. Höchstes wenn ich am Cembalo die Rezitative zu betreuen hatte. Sonst musste man das Erarbeitete am Ende an jemand anderen übergeben. Das war mir zu fad."

Und sie will nicht nur sicher durch den Abend kommen: "Ich gehe Risiken ein, was zwar Kraft kostet. Aber ich will etwas erleben. Manchmal fühlt man sich natürlich nur wie ein Verkehrspolizist, der Dinge organisiert."

Das wird auch bei ihrer Zusammenarbeit mit den Philharmonikern da und dort der Fall gewesen sein. Immerhin reicht der Kontakt bis in das Jahr 1993 zurück. Was immer auch passiert, meint Young, "man wird durch diesen unglaublichen Klang entschädigt". Dass sie einst beim Debüt nur Männern gegenübersaß, sei schon merkwürdig gewesen. "Aber daran denkt man zunächst nicht. Erst als man mich gefragt hat, ob ich das nicht seltsam fände, ist mir der Umstand wirklich bewusst geworden. Aber mittlerweile hat sich das ja geändert."

Auch mit der Rotation innerhalb des Orchesters hat sie keine Probleme: "Ich verstehe die Gründe. Natürlich: Ich bin ungern langweilig bei den Proben, und wenn ich mich dreimal wiederholen muss, weil neue Kollegen dasitzen, dann komme ich mir langweilig vor und ärgere mich. Und ärgere sicher auch die Kollegen, die alle drei Proben mitgemacht haben." Und die Substituten? "Wenn ein Philharmoniker einen auswählt, dann gehe ich davon aus, dass die Qualität des Orchesters Priorität für ihn hat. Aber das sind interne Fragen. Das Schöne ist ja, dass man sich als Gastdirigent nicht einmischen muss. Funktioniert etwas nicht, dann mache ich natürlich Krach." (DER STANDARD, Printausgabe, 12./13.11.2005)