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Foto: Reuters/Blevins

Im wahrsten Sinne des Wortes in die Wüste geschickt werden die Fahrzeuge bei der "Grand Challenge". Völlig unklar ist, ob die teilweise kurios aussehenden und mit Technik voll gestopften Vehikel, die ins Rennen gehen, ankommen. Die Fahrzeuge müssen ohne menschlichen Fahrer auskommen. 211,8 Kilometer lang ist die Route, die in einer Zeit von unter zehn Stunden bewältigt werden muss. Erst zwei Stunden vor dem Start geben die Veranstalter den Teams die genaue Streckenführung bekannt. Die Bordcomputer bekommen sie als GPS-Daten.

Fahrer sparen

Organisiert wird die Grand Challenge von der Darpa, das ist die Abkürzung für Defense Advanced Research Projects Agency. Sie gehört als Forschungskoordinationsstelle zum amerikanischen Verteidigungsministerium. Mit dem Projekt wollen die Macher beweisen, dass der Bau so genannter autonomer Fahrzeuge möglich ist. In zehn Jahren soll bereits ein Drittel aller US-Militärfahrzeuge keinen Fahrer mehr benötigen, fordert der US-Kongress.

Für die teilnehmenden Wissenschafter und Konstrukteure galt es, ein Preisgeld von zwei Millionen Dollar zu gewinnen, das sie in die Entwicklung neuer Fahrzeugtechnologien stecken können. "An die Stelle des Fahrers treten Sensoren und Computersysteme, die das Umfeld analysieren", erklärt Peter Hössl, Business Development Manager der österreichischen ARC Seibersdorf Research GmbH. Er war dieses Jahr beim Rennen mit dabei. Der Grund: Für das Auto des amerikanischen Teams SciAutonics entwickelte das Smart-Systems-Forschungsteam des Bereichs Informationstechnologien der ARC Seibersdorf Research GmbH einen eingebetteten Stereo-Vision-Sensor.

Dafür liefern zwei Kameras Bilder, die von der Elektronik in Echtzeit verarbeitet werden müssen. Erlaubt ist den Machern die ganze Bandbreite der Robotik in der Automobilindustrie: Ob Laser-basierte Distanzmesser, Radarsensoren, Digitalkameras oder Satelliten- und Trägheitsnavigationssysteme. Streng verboten jedoch: Fernsteuerungen, Funkkontakt und telemetrische Vorrichtungen. Um all diese technischen Finessen bezahlen zu können, arbeiten die meisten Teams mit Sponsoren wie etwa Intel oder Boeing.

Die Bedingungen für den Sieg hören sich einfacher an, als sie sind. Keines der Fahrzeuge schaffte es im vergangenen Jahr bis ins Ziel. Die meisten Roboterautos scheiterten schon in der Startzone oder kurz dahinter. Von 15 Teilnehmern fuhren nur vier einige Kilometer weit. Einäugiger unter den Blinden war 2004 ein umgebautes Militärgeländeauto der Universität Carnegie Mellon. Nach zwölf Kilometern durchfuhr "Sandstorm" jedoch einen Zaun, rammte ein Hindernis und fing Feuer.

Dabei werden nur die weltweit besten Fahrzeuge überhaupt zugelassen. Von Primm, rund 50 Kilometer südwestlich von Las Vegas, führt die Strecke quer durch die Mojave-Wüste mit künstlichen und natürlichen Hindernissen. Die Landschaft zwischen Las Vegas und Los Angeles ähnelt der Gegend zwischen Kuwait und Bagdad, erläuterte ein Militär. Dieses Jahr lief es viel besser als im Vorjahr: Vier schafften es bis ins Ziel, davon drei in der geforderten Zeit. Gewonnen hat mit einer Zeit von sechs Stunden, 53 Minuten und 58 Sekunden Stanley, eine deutsch-amerikanische Koproduktion. Sie beruht auf einem VW-Tuareg-Geländewagen und wurde von der Stanford-Universität in Palo Alto zusammen mit dem VW-Forschungslabor in den USA gebaut.

Das Stanford Racing Team besteht aus rund 40 Wissenschaftern und Studenten. Projektleiter ist mit Professor Sebastian Thrun ein Deutscher, der an der Uni in Stanford Informatik lehrt. Erst auf dem zweiten Platz mit elf Minuten Abstand landete das Hummer-Geländeauto Highlander von der favorisierten Carnegie Mellon University in Pittsburgh. Der Touareg löste seine Aufgabe mithilfe von sieben Pentium-M-Computern und Hochleistungssoftware, die die Daten der eingebauten Lasersensoren, Videokameras, Radargeräte, Entfernungsmesser und des GPS-Navigationssystems zehnmal in der Sekunde neu berechnete, um den Wagen auf Kurs zu halten.

In Zukunft können alle Autofahrer von den Ergebnissen der verrückten Grand Challenge profitieren: Langfristig kann die in der Wüste getestete Technologie auch in ganz normalen Autos in Fahrerassistenzsysteme eingebaut werden. "Dann könnten Autos zumindest Teilstrecken zurücklegen, ohne dass ein Mensch lenken und Gas geben muss. Oder wir bringen ihnen bei, selbstständig ins Parkhaus zu fahren und bei Bedarf wieder vor der Tür auf uns zu warten", sagt der österreichische Experte Wilfried Kubinger, Projektleiter Stereo Vision Sensor. Bis es so weit ist, werde es noch 15 Jahre dauern. (Johannes Klostermeier/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14. 11. 2005)