Wien – Genau in dem Punkt, um den die Opposition die Aktuelle Stunde aufbaute, wollte sich die Wirtschaftsminister Martin Bartenstein nicht die Leviten lesen lassen: Die Jugendarbeitslosigkeit sei weit geringer als in Frankreich, die Regierung habe funktionierende Beschäftigungsprogramme, also möge man doch nicht "französische Zustände" herbeireden. Die Regierung habe ein Qualifizierungs- und Beschäftigungspaket mit einem Volumen von 250 Millionen Euro geschnürt, 160 Millionen Euro davon würden für junge Menschen ausgegeben.

Zu wenig, befand SP-Chef Alfred Gusenbauer: "Es gibt Anzeichen dafür, dass der soziale Aufzug nicht mehr funktioniert." Unruhen wie in Frankreich könnten überall ausbrechen, auch in Österreich, warnte Gusenbauer und verwies auf die jüngsten Sozialstatistiken. Derzeit seien 62.000 junge Menschen auf Arbeitssuche – um 25.000 mehr als noch vor fünf Jahren. Ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen könnten nicht ordentlich lesen, und außerdem gehe die soziale Schere im Bildungswesen immer weiter auseinander: Stadtkinder mit Akademikern als Eltern hätten einen 83-prozentige Chance auf einen akademischen Abschluss, Landkinder aus Arbeiterfamilien nur eine Chance von sieben Prozent.

FP-Klubobmann Herbert Scheibner hielt der SPÖ vor, mit der Vertauschung von Opfern und Tätern in Frankreich "Justiz- und Sozialromantik" zu betreiben. Das wieder brachte den Grünen Sozialsprecher Karl Öllinger so in Rage, dass er den Regierungspolitikern vorwarf, "ein Brett vor dem Kopf" zu haben. Wenn sie mit den Jugendliche reden würden, wüsste sie, wie viel Hoffnung auf eine Anstellung diese hätten: "Fast keine." (kob/DER STANDARD, Printausgabe, 17.11.2005)