Johann Zwettler hat es also getan. Ziemlich genau sechs Wochen nach Auffliegen der Refco-Affäre in den USA, die die Gewerkschaftsbank Bawag P.S.K. im schlimmsten Fall um die 400 Millionen Euro kosten könnte (jenen Betrag, den sie an die Refco Group Holding von Phillip Bennett verborgt hat), hat der Gewerkschaftsbanker die Konsequenz aus dem Blitzkredit-Debakel gezogen.

Per Ende des Jahres wird er sein Amt zurücklegen. "Im Interesse und zum Wohle des Hauses Bawag", wie Zwettler sagt. Zum Glück, wie man genauso berechtigt sagen könnte. Denn die Alternative wäre wenig erbaulich gewesen.

Die Finanzmarktaufsicht hat in ihrem Prüfbericht zum blitzartig vergebenen Kredit, dessen spektakuläre Rückholung den Bankern misslungen ist, zwar keine strafrechtlichen Tatbestände gefunden, ihre Mängelliste, die den Vorstand bereits zu gröberen organisatorischen Umbauarbeiten etwa des Berichtswesens oder der Kreditvergabe veranlasst hat, ist aber trotzdem beunruhigend umfangreich.

Wäre der 65-Jährige geblieben, er und seine Bank hätten so schnell keine Ruhe gefunden: Weitere Ermittlungen der Bankaufseher wären wohl die Folge gewesen, das Damoklesschwert der Absetzung wäre weiterhin über dem Vorstand gehangen.

Zwar betonen die Banker und ihr Eigentümer Gewerkschaftsbund, Zwettler übernehme mit seinem Rücktritt nur die "politische" Verantwortung, ein "Schuldbekenntnis" sei das nicht. Aus der Bank ist sinngemäß zu hören, dass man die Aufregung nicht ganz verstehe, von politischem Druck auf die Gewerkschaft ist die Rede, von grotesker Farce.

Ganz so grotesk, wie die Gewerkschafter denken mögen, ist die Forderung nach Konsequenzen aber wieder nicht. Da sprechen die Fakten für sich und eindeutig gegen die Verantwortlichen: Allein die Tatsache, dass drei Vorstandsmitglieder sonntags einen Kredit über 425 Millionen Euro - in altem Geld sind das rund sechs Milliarden Schilling - beschließen, ohne ihren Aufsichtsrat zu befragen, klingt höchst unorthodox. Geht das Ganze auch noch schief, weil man leider einem Betrüger auf den Leim gegangen ist, ist eine Demission weniger grotesk als eher nahe liegend.

Dem Ruf der Bank kann das nur zuträglich sein. Kleine Kreditnehmer, Sparer, Unternehmer und Gewerkschaftsmitglieder hätten es wohl nur schwer verstanden, wenn der Kreditfall keine Konsequenzen nach sich gezogen hätte. So wird ihnen signalisiert, dass letztendlich wenigstens Verantwortung wahrgenommen wird.

Der "Zahlenmensch" Johann Zwettler dient mit seinem Rücktritt aber auch der gesamten Branche. Erstmals seit Langem hüpft ein Manager vor, dass ein Flop auch persönliche Konsequenzen haben kann. In der deutlich teureren Russland-Krise, in der Milliarden Euro versenkt wurden, nahmen ausschließlich Manager der zweiten Führungsebene den Hut.

Am meisten profitieren könnte vom Schritt Zwettlers aber die Gewerkschaft. Bisher wählte der Eigentümer die Mitglieder des Aufsichtsrates nicht unbedingt nach rein bankwirtschaftlichen Kriterien aus. Ausschlaggebend waren eher innerfraktionelle Interessenausgleiche, die Vertreter kleinerer Fachgewerkschaften mussten ebenso vertreten sein wie die mächtiger Gruppierungen. Fachwissen und Aufsichtserfahrung gehörten nicht so sehr zum Anforderungsprofil.

Das könnte nun anders werden. Denn die teure Causa Refco hat in der Gewerkschaft jenen Auftrieb gegeben, die frischen Wind in Gewerkschaft und Bank bringen wollen. Sie fordern nun kompetente und unabhängige Bankexperten - sowohl an der Bankenspitze als auch im Aufsichtsrat. Das geht so weit, dass sogar dem "schwarzen" Vizechef Stephan Koren bereits Außenseiterchancen für den Chefsessel eingeräumt werden.

Johann Zwettlers Rückzug könnte so gesehen das Beste sein, was aus dem Schlamassel zu machen ist. Vorausgesetzt, auch die Eigentümer springen über ihren Schatten. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19./20..11.2005)