Wien - Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Karl Korinek, beklagt das Abschieben politischer Entscheidungen an seinen Gerichtshof. Die Politik solle "vorher nachdenken und präzise handeln" und nicht im Nachhinein auf den Verfassungsgerichtshof schimpfen, sagte Korinek am Sonntag in der "Pressestunde" zur Kritik am jüngsten Zivildienst-Erkenntnis des VfGH. Kritik übte Korinek an FP-Volksanwalt Ewald Stadler und dem aus der FPÖ ausgetretenen Ex-Bundesrat John Gudenus.

Viele Detail-Fragen - etwa die "angemessene Höhe" der Zivildiener-Verpflegung oder über die "angemessene Differenzierung" des Schulwesens - würden letztlich auf den VfGH abgewälzt, weil sich die Politik nur auf "Formelkompromisse" einigen könne, kritisierte Korinek. Der VfGH müsse dann politische Entscheidungen treffen, auch wenn er sich dabei "überhaupt nicht wohl fühlt". Korinek: "Besser wäre es, die Entscheidung trifft die Politik."

Richtwert

Hintergrund: Laut Gesetz müssen Zivildiener von den Trägerorganisationen "angemessen" verpflegt werden. Was genau das bedeutet wurde jedoch offen gelassen - erst der VfGH hat am Dienstag einen Richtwert von 13,6 Euro genannt. Wer diese Erhöhung des Taggeldes für Zivildiener finanzieren muss, sollte laut Korinek von Regierung und Trägerorganisationen gemeinsam geklärt werden. Letztlich müsse die Verpflegung zwar der Staat garantieren, dieser trage aber schon viel zur Finanzierung des Zivildienst-Systems bei. Eine Lösung sei daher nur "im Konsens" möglich.

Die jüngsten Aussagen von Volksanwalt Stadler ("Homosexuelle und andere perverse Partnerschaften") sowie von Gudenus, dem ein Verfahren nach dem NS-Verbotsgesetz droht, stehen für Korinek "gegen den Verfassungskonsens". Die Unabsetzbarkeit von Volksanwälten bezeichnete Korinek bei dieser Gelegenheit als "Systembruch". Er plädiert dafür, nach Ablauf der Funktionsperiode Stadlers über eine Änderung nachzudenken.

"Falsche Interpretation"

Dass der VfGH mit seiner jüngsten Entscheidung über die Mitversicherung gleichgeschlechtlicher Partner in der Sozialversicherung die Tür zur Homosexuellen-Ehe aufgemacht habe, weist Korinek zurück. "Das wäre eine falsche Interpretation." "Rein persönlich" wäre Korinek übrigens gegen die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Dies sei jedoch eine politische und keine verfassungsrechtliche Frage.

Bei der Umsetzung des EuGH-Spruchs zum Hochschulzugang empfiehlt Korinek der Regierung, auf Übergangsbestimmungen zu setzen. Diese würden vor dem Europäischen Gerichtshof halten, glaubt der Verfassungsjurist. Außerdem pochte Korinek einmal mehr auf die Umsetzung des Ortstafel-Urteils der Verfassungsrichter aus dem Jahr 2001. Derzeit sind in diesem Zusammenhang mehrere Verfahren beim VfGH anhängig. Zuständig für die Aufstellung der Ortstafeln sei jedenfalls die Kärntner Landesregierung, betont Korinek.

Optimismus

Optimistisch ist Korinek, was die Bereinigung der österreichischen Verfassung angeht. So habe es bei der letzten diesbezüglichen Ausschuss-Sitzung im Nationalrat das Bekenntnis aller Parteien gegeben, überflüssige Bestimmungen zu streichen. Theoretisch könne man damit zwei Drittel des formellen Verfassungsrechtes aufheben. Freilich sei dies nur in Bereichen möglich, "wo es keine großen inhaltlichen Änderungen gibt" - etwa bei den verfassungsrechtlichen Grundlagen von Staatsverträgen.

An den vorzeitigen Rücktritt denkt Korinek, der demnächst 65 wird, nicht. An Gerüchten, wonach er von der ÖVP gedrängt werde, in Pension zu gehen, sei "überhaupt nichts" dran. Er wolle bis 70 im Amt bleiben, betont der VfGH-Präsident: "Wenn es gesundheitlich geht, ganz sicher."

SPÖ fordert Nachzahlung für Zivildiener

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos fordert angesichts der Aussagen von VfGH-Präsident Karl Korinek in der "Pressestunde" eine staatliche Nachzahlung für Zivildiener. Dies wäre "nur logisch", so Darabos in einer Aussendung am Sonntag. Innenministerin Liese Prokop und ihr Vorgänger Ernst Strasser (beide V) hätten diese Frage "schleifen lassen". Die stellvertretende Grünen-Chefin Eva Glawischnig will eine gesetzliche Reparatur beantragen.

"Der Staat hat hundertprozentig dafür Sorge zu tragen, dass die Entscheidung des VfGH umgesetzt wird", sagt Darabos. Dies gelte auch in der Ortstafelfrage. Darabos: "Der VfGH ist die höchste Instanz - und auch Korinek sagt selbstverständlich, dass dort, wo es eine Rechtspflicht gibt, diese umzusetzen ist." Landeshauptmann Jörg Haider (B) könne sich nicht einfach "auf dubiose Umgehungsmodelle" ausreden.

Glawischnig will zur Reparatur des Zivildienstgesetzes einen Antrag im Nationalrat einbringen, "den wir bereits in der Schublade haben". "Eine Gesetzesänderung ist überaus sinnvoll und auch dringend notwendig, noch bevor das neue Zivildienstgesetz im Jänner des nächsten Jahres in Kraft tritt", so Glawischnig in einer Aussendung. Sie gehe davon aus, dass ÖVP, SPÖ und Freiheitliche der Novelle angesichts des jüngsten VfGH-Spruches "nicht im Weg stehen werden", so die Grün-Abgeordnete. (APA)