Wärmen Wein und Schein nur unzureichend, geht man ins Konzert. Im Musikverein etwa, beim Philharmonischen Abonnementkonzert, wird Bruckners Neunte gegeben. Keine unmittelbare musikalische Wärmequelle, zugegeben: ein Werk, das man mehr bestaunt, achtet, fürchtet, als dass man es genießt.
Der unvollendet gebliebene symphonische Großbau ist ein Glaubensbekenntnis in Tönen; und da Gott dem romantischen Tonschöpfer Bruckner eine feste Burg war, ist die Neunte zur imposanten Klangfestung geraten, mit von Blech bewehrten Zinnen der Allmacht, aber auch mit einigen streicherstreichelwarmen Wohnzimmern des Menschlichen.
Fachkräftig bauen die Wiener Philharmoniker unter der nicht immer zielsicheren Leitung Seiji Ozawas an dem Werk, mit Bedächtigkeit, Versiertheit und Verve. Das angeschlossene Te Deum (mit kolossaler Kraft: der Wiener Singverein) kann kaum mehr als Musik empfunden werden, ist eher Monument: ein Triumphbogen für eine totalitäre Idee des Göttlichen.
Sanfter, bedächtiger und balsamischer die Töne, die nur wenig später im Wiener Konzerthaus angeschlagen werden. Geiger Frank Peter Zimmermann spielt Beethovens Violinkonzert so, dass neben den vielen klaren, maßvollen und gut erzogenen Tönen auch die Formulierung "Achtung, Klassik!" im Ohr klingt.
Kraftvolle Effekte
Mit einer stilsicheren Mischung aus Zurückhaltung und Zünftigkeit musizieren die Wiener Symphoniker. Heinrich Schiff leitet das Orchester mit einer fallweise etwas pauschal-schwammigen Zeichengebung, und doch fallen die künstlerischen Ergebnisse - wie etwa bei den Auszügen aus den zwei Romeo und Julia-Suiten Sergej Prokofjews - kraftvoll, prägnant gezeichnet und durchaus überzeugend aus.
Dirigent Esa-Pekka Salonen darf sich der Leser als optischen Mittelwert aus Bryan Ferry und Morten Harket vorstellen. Wenn dem finnischen Orchesterleiter irgendetwas fremd ist, dann mangelnde Präzision - auch wenn der Mittvierziger das Blitzschnell-Exakte in seiner Dirigiersprache immer mit dem Idiom des Lässig-Schlenkernden zu durchmischen weiß.